Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
sein Leid. Der Vogel wiegte sich lange auf der Stange und dachte angestrengt nach.
„Versuch doch, den Häcksel in der Sonne zu rösten", riet Guamoko ihrem Herrn.
Urfin zerkleinerte ein paar Triebe, streute sie auf ein Blech mit umgebogenen Rändern und legte dieses unter die heißen Strahlen der Sonne.
„Wollen mal sehen, wie es euch hier ergehen wird!" brummte er. „Wenn ihr so weiter wachst, ziehe ich fort.
Die Pflanzen keimten nicht. Ihre Wurzeln hatten nicht die Kraft, das Blech zu durchstoßen. In wenigen Stunden verwandelte die heiße Sonne des Wunderlandes den grünen Häcksel in braunes Pulver.
„Nicht umsonst bekommt Guam ihr Futter", sagte Urfin zufrieden, „ein kluger Vogel...“ Urfin nahm einen Handkarren und begab sich nach Kogida, wo er sich von den Hausfrauen Bleche geben ließ, auf denen sie ihre Kuchen buken.
Als er mit einem Karren voller Bleche zurückkehrte, hob er drohend die Fäuste und zischte seine Feinde an:
„Jetzt werd ich euch's heimzahlen!"
Er arbeitete verbissen von früh bis spät, nur am Nachmittag machte er eine kleine Pause. Urfin ging methodisch zu Werke. Er merkte sich jedes Mal eine kleine Fläche vor, die er sorgfältig von den Pflanzen säuberte, daß keine einzige übrigblieb. Das mit der Wurzel ausgegrabene Unkraut zerkleinerte er in einer Blechschüssel und breitete es dann zum Trocknen auf die Bleche aus, die in langen Reihen in der Sonne lagen. Dann tat er das braune Pulver in Blechkübel, die er zudeckte. So arbeitete er zäh und unverdrossen vom Morgen bis zum Abend. Die mit dem Unkraut bewachsene Fläche schrumpfte zusehends. Schließlich kam der Tag, an dem die letzte Pflanze sich in braunes Pulver verwandelt hatte. In einer einzigen Woche hatte sich Urfin so abgerackert, dass er kaum noch auf den Beinen stehen konnte. Als er über die Schwelle seines Hauses trat, strauchelte er, wobei der Eimer in seiner Hand umkippte und ein Teil des braunen Pulvers auf das Bärenfell fiel, das dem Hausherrn als Fußmatte diente.
Urfin stellte den letzten Kübel beiseite, deckte ihn wie die anderen zu, wankte zum Bett und schlief sofort ein.
Im Schlaf fühlte er sich von jemandem an der Hand gezerrt und erwachte darüber. Als er die Augen öffnete, erstarrte das Blut in seinen Adern:
Am Bett stand ein Bär, der den Ärmel von Urfins Rock in den Zähnen hielt.
„Ich bin verloren“, durchzuckte es Urfin... ,Jetzt wird er mich fressen .. . Wie ist dieses Ungeheuer aber in mein Haus gekommen? Die Tür war doch verschlossen...“
Minuten vergingen, der Bär aber schien nichts Böses im Sinne zu haben. Er zerrte lediglich an Urfins Ärmel, tat dann den Rachen auf und sprach mit tiefer, heiserer Stimme: „Herr! Es ist Zeit aufzustehen, du schläfst zu lange!"
Urfin war so verblüfft, daß er aus dem Bett fiel: Das Bärenfell, das früher an der Schwelle gelegen hatte, stand jetzt auf vier Tatzen vor seinem Bett und schüttelte den Kopf. „Das Fell meines toten Bären ist lebendig geworden, es geht umher, es spricht... Wie ist das möglich? Hat vielleicht das verschüttete Pulver...?“
Um sich Klarheit zu verschaffen, wandte sich Urfin an die Eule.
„Guam . . . Guamoko !"
Die Eule schwieg.
„Hör mal, du frecher Vogel!" brüllte der Tischler. „Ich hab mir die Zunge schon genug verrenkt mit deinem verfluchten Namen! Willst du nicht antworten, so jag ich dich fort! Kannst dir dann selber das Futter im Walde suchen!"
Da sagte die Eule versöhnend:
„Na schön, reg dich nicht auf. Meinetwegen nenn mich Guamoko, aber keine Silbe weniger. Was wolltest du mich fragen?"
„Ist die Lebenskraft der unbekannten Pflanze wirklich so groß, daß sogar ihr Pulver ein Fell lebendig machen kann?"
„Ja, du hast's erraten. Von dieser Pflanze hat mir schon meine Urgroßmutter erzählt, . Karitofilaxi, die Weiseste aller Eulen . . ."
„Schweig!" brüllte Urfin, „schließ die Klappe! Und du, Bärenfell, marsch auf deinen Platz! Ich will jetzt mal nachdenken!"
Das Fell trottete zur Schwelle und legte sich auf seinem alten Platz nieder.
„Wer hätte das für möglich gehalten?" brummte Urfin. Er setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf mit dem wirren Haar in die Hände. „Ob mir das Pulver nutzen kann?" Nach langem Grübeln entschied der ehrgeizige Tischler, daß es ihm nutzen könne. Vorerst wollte er aber prüfen, wie groß die Kraft des lebenspendenden Pulvers sei. Auf dem Tisch stand ein ausgestopfter Papagei mit blauen, roten und grünen Federn. Urfin nahm
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