Die Söhne der Sieben
Aus der Bewegungslosigkeit schnellte meine Hand auf und griff nach dem Biest, bevor es seine kleinen scharfen Zähne in meine blasse Haut rammen konnte. Genüsslich spürte ich die zappelnde Wärme, während ich den Druck meiner Finger immer weiter verstärkte bis das Zappeln endlich verstummte. Ein ekliges Geräusch platzender Haut ertönte und das unreine Blut des Wesens lief über meinen Arm und befleckte meine Kleidung. Angeekelt ließ ich von dem Leichnam ab und erhob mich zum ersten Mal seit Tagen von meinem Lager. Nachdem ich das Laster meines Vaters einmal überwunden und mich umgezogen hatte, überwand ich mich auch mühsam ihm nicht wieder zu verfallen, sondern verließ den Turm.
Ich hatte Blut gerochen und war hungrig geworden. Vielleicht sollte ich mal wieder etwas essen. Dazu hatte ich mich schon seit Jahren nicht mehr aufgerafft. Vor mir krochen die niedrigen Dämonen meines Vaters und bettelten um meine Aufmerksamkeit. Einer Hübscheren von ihnen tat ich den Gefallen und blickte sie an, lauschte ihrem Gestammel und entnahm ihm, dass mein Vater mich schon seit Tagen zu sprechen wünschte. Unwillig wandte ich mich seinen Gemächern zu. Er lag natürlich in seinem Bett, das den ganzen Raum auszufüllen schien. Eine Kreatur fächelte ihm Luft zu, eine andere massierte seine Füße. Ich lehnte mich gelassen an eine Säule am Eingang und wartete darauf, dass er mich von sich aus bemerkte. Schließlich tat er es sogar und winkte mich mit einer einzelnen Bewegung zu sich.
„Was?“ erkundigte ich mich.
„Dein kleiner Freund… Asmodis Sohn…“ begann mein Vater mit halbgeschlossenen Lidern „War lange nicht mehr hier…“
„Ich weiß…“ brummte ich nur.
„Ich habe Nachrichten an seinen Vater…“ bekannte Belphegor monoton „Wenn er nicht kommt, um sie zu holen, musst du gehen.“
„Kannst du nicht einen Anderen schicken?“ wollte ich lustlos wissen. Doch mein Vater schüttelte den Kopf: „Nein, würde ich einen Geringeren als dich schicken, würde er beleidigt sein. Asmodi hat eine fürchterliche Laune, wenn er beleidigt ist. Vermeiden wir diese Unannehmlichkeit und schicken dich gleich hin.“
„Ich muss sofort gehen?“ störte ich mich daran.
„Ja…“ bestätigte mein Vater und schloss seine Augen wieder ganz „Der Brief liegt auf der Fensterbank.“
Ich seufzte betont unwillig und ließ den Brief dann in meine geöffnete Hand schweben, bevor ich meinen Körper entmaterialisierte und mich in Asmodis Gärten begab. Eine kurze Reise, die nicht mit viel Anstrengung verbunden war. Ich wusste selbst nicht, weshalb ich noch nie auf die Idee gekommen war Inkubus aus Eigeninitiative zu besuchen. Tatsächlich war ich zum ersten Mal in dieser Gegend der Hölle.
Asmodis Gärten waren berühmt. Sie lockten Geschöpfe und verlorene Seelen aus weiter Ferne zu ihm, indem sie die Illusion satten Grünes in den roten Feuern der Hölle erschufen. Freilich konnten sie mich nicht täuschen. Ich sah, dass es keine blauen Bäche reinen Wassers sondern brodelnde Lavaströme waren, die sich durch die fetten Wiesen zogen, deren Illusion eine steinige Wüste verhüllte. Trotzdem zog mich die Gegend in ihren Bann, da ich so etwas noch nie gesehen hatte.
Ich verschob meine Suche nach dem Dämonenfürst der Wollust und sah mich interessiert um. Vielleicht würde mir tatsächlich der kleine Inkubus über den Weg laufen. Gemächlich umrundete ich einen scharfkantigen Fels. Weiter in der Ferne erhoben sich die Hallen des mächtigen Lüstlings. Zugegeben war ich auch etwas neugierig auf Asmodi. Inkubus war so ein lieblicher Dämon und man sagte, dass er seinem Vater, als dieser noch ein Engel gewesen war, sehr ähnlich sah. Außerdem war mir die Wollust nach der Trägheit die liebste Sünde, denn zumindest schlossen sie sich nicht aus. Im Gegenteil, sie waren ein Kreislauf: nach der Wollust kam die Trägheit.
„Was willst du hier?“ erklang plötzlich eine dunkle Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich zu ihr herum. Ich hatte nichts gehört und seine Anwesenheit auch nicht gespürt. Seine Aura war nicht wahrnehmbar, dabei stand er keine fünf Schritt hinter mir. Ein leicht bekleideter Mann mit schwarzen Haaren und lodernden, goldenen Augen. Seine Gesichtszüge waren auf groteske Art, die eines Engels mit weichen, vollen Lippen, hohen anmutigen Wangenknochen und langen melancholischen Wimpern. Und doch wirkte er alles andere als unschuldig. Grotesk daran waren die beiden Hörner, die sich aus seiner
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