Die Söhne der Wölfin
angeredet wurden, und Pompilius hatte sich natürlich ausschließlich an ihn gewandt. Der kleine Numa, dem der Regelverstoß nicht auffiel, meinte unbekümmert: »Na, der König von Alba.«
»Die Tusci nennen ihn Arnth«, erklärte Faustulus hastig.
Pompilius wirkte mehr selbstzufrieden denn überrascht, als er bemerkte: »Hätte ich mir denken können, daß dein Weib eine von denen ist. Schließlich hast du ja bei ihnen gelebt, stimmt’s? Nur dachte ich«, und der Blick, mit dem er Larentia diesmal musterte, war eindeutig herausfordernd, »die wären sich zu gut, um unsereins ihre Frauen zu geben. Wenn ich mit ihnen verhandle, dann benehmen die sich, als ob ihr Mist besser riecht als unserer.«
Faustulus sah es deutlich vor sich. Larentia würde jetzt eine schneidende Bemerkung machen und Pompilius daraufhin ärgerlich sein Haus verlassen. Mit der guten Nachbarschaft zum Flußdorf wäre es vorbei, und jedesmal, wenn er dorthin gehen mußte, würde er mit Spott über seine Frau empfangen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, irgend etwas, das Larentia vom Reden abhielte, brachte jedoch keinen Ton hervor. Eine stumme Bitte in seine Augen zu legen war alles, was er konnte.
»Meine Familie«, sagte Larentia und klang zu seiner ungeheuren Erleichterung nicht höhnisch, »war sehr froh, mich einem Latiner zur Frau geben zu können, zumal einem Mann wie Faustulus.«
Darauf wußte Pompilius nichts mehr zu erwidern. Er räusperte sich und kam wieder auf den Anlaß zurück, der ihn hergeführt hatte: seinen Vorschlag, Faustulus’ kleine Schweineherde, die sich inzwischen verdoppelt hatte, mit seinem eigenen Viehbestand zusammenzulegen, der nach dem vorwinterlichen Besuch des königlichen Aufsehers empfindliche Lücken aufwies. Im Flußdorf, so argumentierte er, gebe es den besseren Boden, um sie zu mästen, und es würde Faustulus Zeit sparen. Dafür würde dieser beim Schlachten auch Teile von Tieren bekommen, die ihm gar nicht gehörten.
Faustulus war nicht ganz bei der Sache, während er mit Pompilius verhandelte. Ihn beschäftigte, was Larentia gesagt hatte. Er erinnerte sich daran, wie es damals in der Schenke geheißen hatte, kein Mann der Tusci würde eine schwangere Priesterin auch nur mit dem kleinen Finger anrühren. Und noch ein anderer Satz klang in seinem Gedächtnis: Es ist meine Strafe . Es tat weh, als ihm bewußt wurde, was sie mit ihren Worten, die Pompilius als Lob aufgefaßt hatte, gemeint haben mußte: Man hatte sie Faustulus gegeben, eben weil die Latiner bei den Tusci nichts galten, als Demütigung und als Strafe, weil sie Schande über ihren Stand und ihre Familie gebracht hatte, und offenbar empfand sie das immer noch so. Er warf einen Blick zu ihr hinüber - sie schnitt gerade noch mehr Käse für den kleinen Numa auf - und fragte sich, wann es für ihn so wichtig geworden war, was dieses Tusci-Mädchen, das ihm doch ursprünglich weniger wert gewesen war als seine Freiheit und das Vieh, von ihm dachte.
»Stimmt es, daß alle Tusci zaubern und in die Zukunft schauen können?« fragte Numa eifrig und stopfte sich ein zu großes Stück Käse in den Mund, was ihn zum Husten brachte. Larentia klopfte ihm auf den Rücken und schüttelte den Kopf. Sein Vater, der immer noch die Vorteile aufzählte, die Faustulus erlangen würde, hatte nur kurz über die Schulter geblickt.
»Kannst du es?« beharrte Numa.
Larentia legte die Finger auf die Lippen und zog ihn beiseite, und Faustulus konnte nicht mehr verstehen, was sie redeten, obwohl er sie mit dem Jungen flüstern hörte. Er versuchte sich wieder auf Pompilius zu konzentrieren.
»… und zwei Schafe nur für dich«, schloß Pompilius, »aber du bist schon ein Halsabschneider! Nun sag doch endlich was!«
»Ich überlege es mir.«
» Überlegen , ha!« schnaubte Pompilius. »Du hast zu lange Zeit in den Städten verbracht, mein Freund. Hier überlegt man nicht.«
Als Vater und Sohn wieder verschwunden waren, fragte Faustulus Larentia, was sie dem Kleinen prophezeit habe.
»Nur, was der gesunde Menschenverstand mir sagt«, entgegnete sie. »Er wird ein wichtiger Mann werden, aber nicht in seinem Dorf. Dazu braucht es keine Deutung; wenn sein Vater ihn öfter mitnimmt, wird er mit dem Dorf nicht mehr zufrieden sein.«
Sie seufzte und setzte sich. Ihre Zeit würde nun bald kommen, und langes Stehen ermüdete sie sehr. Faustulus wandte sich von ihr ab, doch er konnte nicht anders, er mußte weiterfragen.
»Und du? Wirst du hier je zufrieden
Weitere Kostenlose Bücher