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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Osten soviel Profit ziehen wie möglich, aber tiefer darf man sich nicht mit ihm einlassen. Sowie er den Osten nicht mehr brauchte, hat er ihn kaltgestellt. Hat ganzen Provinzen, Griechenland zum Beispiel, ihre Privilegien wieder entzogen. Auch dieser Bursche Josef ist unausstehlich. Alle Literaten sind unausstehlich, die jüdischen doppelt. Leider kann man ohne sie nicht auskommen. Biographien sind wichtig. Man stirbt leichter, wenn man weiß, man hinterläßt einen guten Geruch bei der Nachwelt. Ein richtiges Buch hält länger vor als ein Standbild. Das Buch dieses Juden Josef ist dauerhaft. Und nicht teuer, alles in allem. Noch keine Million hat er auf den Menschen verwendet. Ein lächerlicher Preis für ein paar Jahrtausende Nachruhm. Wenn er annimmt, das Buch hält für zweitausend Jahre vor, was dann hat pro Tag er für seinen Nachruhm bezahlt? Laß sehen. Zuerst: zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Dann: eine Million geteilt durch das Ganze. Wenn er nur nicht eine so verfluchte Dumpfheit im Schädel hätte. Zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Es geht nicht mehr. Aber auf alle Fälle ein gutes Geschäft.
      Eine Mücke ist im Innern seines Ärmels. Daß er das noch spüren kann, ist ein günstiges Zeichen. Er kriegt auch bestimmt noch heraus, was ihn der Tag Nachruhm kostet. Man müßte die Mücke wegjagen. Aber das Sprechen erfordert Kraft, und er braucht seine Kraft für ein anständiges letztes Wort. Ein römischer Kaiser muß mit einem anständigen letzten Wort sterben. »Jagt mir die Mücke weg«, wäre ja ganz gut, aber doch nicht würdig genug.
      Jetzt ist sie weg. Er hat Glück mit seinem Sterben. Hier in dieser alten, angenehmen Bauernstube mit dem Hof davor, der Eiche und den Schweinen läßt es sich leicht sterben, wacker, respektabel.
      Sein Titus ist ein guter Sohn. Ein wenig zu ehrgeizig. Wenn man nicht scharf aufgepaßt hätte, dann hätte er ihn wahrscheinlich schon Vorjahren aus dem Weg geräumt. Die ganze Zeit hindurch hat er ihm seinen Arzt Valens aufzudrängen versucht. Ob er ihn vielleicht doch hat vergiften lassen? Nein. Der Doktor Hekatäus ist zuverlässig: es ist nur das Darmleiden. Zweitausend Jahre Nachruhm für insgesamt eine Million Sesterzien. Zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Er würde es übrigens dem Titus nicht verdenken, wenn der ihm eine kleine Dosis Gift zugeführt hätte. Neunundsechzig Jahre, einen Monat und sieben Tage, das ist ein schönes Alter, damit kann man sich zufriedengeben. Die vierzig Milliarden Schulden sind auch weg. Unfreundschaftlich wäre es ja und nicht kindlich, wenn Titus ihm Gift gegeben hätte; denn er hat ihn während ihrer gemeinsamen Regierung wirklich fast immer gewähren lassen. Zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Er war doch sonst so stark im Kopfrechnen.
      Es ist gut, daß er Order gegeben hat, sein Sohn Domitian dürfe nicht heraus zu ihm. Er möchte ihn jetzt nicht im Zimmer haben. Domitian, Bübchen, das Früchtchen. Er mag ihn nicht. Warum hat dieser verdammte Titus soviel herumgehurt? Jetzt hat er nur eine Tochter und kann sich Bübchen nicht vom Halse schaffen, man braucht ihn für die Dynastie.
      Zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Einen Philosophen müßte man da haben. Aber die Philosophen hat er hinausgeschmissen aus Italien. Es gibt vier Arten von Philosophen. Erstens diejenigen, die schweigen und für sich philosophieren; die sind schlimm und verdächtig, weil sie schweigen. Zweitens diejenigen, die regelrecht Unterricht geben; die sind schlimm und verdächtig, weil sie reden. Drittens diejenigen, die Vortragsreisen machen; die sind überaus schlimm und verdächtig, weil sie sehr viel reden. Viertens die Bettelphilosophen, die Cyniker; die sind die allerschlimmsten, weil sie sogar unterm Proletariat herumgehen und reden. Trotz seinem unbehaglichen Respekt vor der Literatur hat er die Burschen allesamt aus dem Land gejagt. Gewisse hochnäsige Aristokraten haben erklärt, das sei pöbelhaft. Na schön, er hat keine Salonmanieren, er ist ein alter Bauer. Am heftigsten hat damals der Senator Helvid gegen ihn gewettert. Ein verdammt frecher Bursche, dieser Helvid. Bis zuletzt hat er ihm seinen Kaisertitel verweigert. Eigentlich imposant, soviel Frechheit. Aber unüberlegt, wenn man nicht zwanzig Armeekorps hinter sich hat. Böses Blut hat es gemacht, als er ihn abtat. In seiner Biographie wird die Geschichte trotzdem keinen Flekken zurücklassen. Denn als er sah, welchen Sturm das

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