Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Steinlager, viel Wolle darauf, überzogen mit grobem Bauernleinen.
      Auf diesen primitiven Schlafraum also richtete die große Stadt Rom ihre Augen, ja, schon Italien und die näher gelegenen Provinzen; denn geflügelt hatte sich die Nachricht von dem bevorstehenden Tode des Kaisers verbreitet.
      Es waren nur wenige Menschen um den Kaiser, sein Sohn Titus, der Leibarzt Hekatäus, der Adjutant Florus, der Kammerdiener, der Friseur; dazu Claudius Regin, der Hofjuwelier, Sohn eines sizilischen Freigelassenen und einer jüdischen Mutter, der große Finanzmann, von dem sich der Kaiser in wirtschaftlichen Dingen gern beraten ließ. Diesen Mann hatte Vespasian an sein Sterbebett befohlen. Die Anwesenheit seines jüngeren Sohnes hingegen, Domitians, hatte er sich ausdrücklich verbeten.
      Es war sieben Uhr abends, aber es war der dreiundzwanzigste Juni, der Tag wird noch lang sein. Der Kaiser auf seinem groben Bett sah erbärmlich mager aus. Die Krämpfe und Durchfälle, die ihn den ganzen Tag über gequält, hatten jetzt nachgelassen, um so schmerzhafter spürte er seine Schwäche. Er dachte daran, daß man ihn gleich nach seinem Tod durch Senatsbeschluß heiligsprechen, unter die Götter erheben wird. Er verzog den langen Mund zu einem. Grinsen, wandte sich an den Arzt, leicht röchelnd, das Sprechen fiel ihm schwer: »Holla, Doktor Hekatäus. Diesmal wird’s nichts mehr, diesmal werde ich ein Gott. Oder glauben Sie, daß ich noch warten muß, bis es dunkel ist?«
      Man schaute gespannt auf den Doktor Hekatäus, was der erwidern werde. Hekatäus war berühmt um seiner Gradheit willen. Auch jetzt sagte er ohne Umschweife: »Nein, Majestät. Ich glaube, Sie werden nicht mehr bis zur Nacht warten müssen.«
      Vespasian schnaufte stark. »Na also«, sagte er. »Los, meine Kinder.« Er hatte Auftrag gegeben, ihn, wenn es soweit sei, anzukleiden, zu rasieren, zu frisieren. Er legte nicht viel Gewicht auf Äußerlichkeiten, aber er glaubte, Senat und Volk von Rom hätten Anspruch darauf, daß der Kaiser anständig sterbe. Titus näherte sich, das breite Knabengesicht des Neununddreißigjährigen war besorgt. Er wußte, welche Anstrengung es den Sterbenden kosten werde, sich baden und ankleiden zu lassen. Aber Vespasian winkte ab: »Nein, mein Junge. Disziplin muß sein.« Er versuchte, zu dem Adjutanten Florus hinüberzulächeln. Dieser Florus nämlich hielt auf Formen, litt unter der Formlosigkeit des Kaisers, unter seinem groben Dialekt. Vor drei Tagen noch, als Vespasian den Namen des Städtchens Cosa, wohin er gebracht werden wollte, »Causa« aussprach, hatte sich Florus nicht enthalten können, ihn zu korrigieren, es heiße nicht Causa, sondern Cosa. Woraufhin der Kaiser dem Adjutanten Florus erwidert hatte: »Ich weiß schon, Flaurus.« – »Disziplin muß sein«, wiederholte er also auch jetzt, ein wenig mühsam, sehr im Dialekt. »Nicht wahr, Flaurus?«
      Man badete den Sterbenden. Ausgemergelt, die grobe Haut faltig, Brust und Bauch schmutzigweißlich behaart, schnaufend, hing der Alte in den Armen seiner Leute. Man trocknete ihn, der Friseur machte sich mit dem Rasiermesser über ihn her. Es war ein guter Friseur, er war bei einem ersten ägyptischen Meister in die Schule gegangen, aber als Friseur des Kaisers hatte der Arme wenig Gelegenheit, seine Kunst zu zeigen. Er mußte statt der guten gallischen Seife billige lemnische Ziegelerde nehmen, die andere war dem Kaiser zu teuer, und nach dem Bade duldete er statt der echten Nardensalbe nur die scheußliche napolitanische Imitation. Heute aber durfte der Friseur das Kostbarste verwenden, was da war. Einer kleinen Büchse aus Alabaster und Onyx, einem Geschenk der Provinz Bithynien, entnahm er Balsam, Opobalsam, jenes edelste Würzwerk der Welt, in winzigen Quantitäten aus dem Innern Arabiens herbeigeschafft. Zwei Büchsen dieses Opobalsams gab es alles in allem auf der Erde, beide im Besitz der jüdischen Fürstin Berenike. Eine davon hatte sie vor Jahren dem Prinzen Titus geschenkt, und der hatte sie dem Friseur für diesen Tag überlassen. Die niedrige Bauernstube war voll von den edeln Düften, in die sich vom Hof her der Geruch der Schweine mischte. »Na, Flaurus«, sagte der Kaiser, »ich hoffe, ich stehe jetzt in gutem Gestank bei Ihnen.« Alle dachten daran, wie er einst dem Titus, als dieser sich über die von ihm ausgeheckte unwürdige Latrinensteuer beklagte, einen aus dieser Latrinensteuer stammenden Sesterz vor die Augen gehalten hatte

Weitere Kostenlose Bücher