Die Söhne.
mit den Worten: »Findest du, er stinkt?«
Gebadet und gesalbt ließ sich der Sterbende das purpurne Festkleid anziehen, dazu die hochgesohlten, schwarzgeriemten Schuhe des Ersten Adels. Er seufzte tief auf, als man damit zu Ende war, ließ sich zurücklegen. »Ein Glas eiskalten Wassers«, befahl er. Er sah, daß man zögerte. »Es kommt schon nicht mehr darauf an«, sagte er zu dem Arzt hinüber. »Meinen Sie nicht, Doktor Hekatäus?« Der Mann erwiderte aufrichtig: »Es kostet Sie höchstens zehn Minuten Leben.« Man brachte ihm den Becher Schneewasser. Es tröpfelte in seinen ausgedörrten Mund, es schmeckte sehr süß. Wahrscheinlich hat Doktor Hekatäus ein Betäubungsmittel hineingetan, um seine Schmerzen zu lindern. Er leckte mit rauher Zunge die letzten Tropfen von den langen, gesprungenen Lippen. Jetzt aber, bevor ihm wirr wird, muß er es ihnen noch einmal einschärfen: »Daß ihr mich ja hochhebt, wenn ich das Zeichen mit dem Finger mache. Ich will im Stehen sterben. Keine falsche Rücksicht. Versprecht es mir. Versprecht es mir beim Herkules.« Er grimassierte hinüber zu seinem Sohne Titus. Der nämlich hat einmal einen umständlichen, kostspieligen Stammbaum der Dynastie anfertigen lassen zurück bis auf Herkules. Aber wenn sich Vespasian sonst auch in Repräsentationsdingen seinem Sohne fügte, damals hatte er aufbegehrt. Sein Vater war Steuerbeamter gewesen, später Bankier in der Schweiz, sein Großvater Inhaber eines Inkassobüros, sein Urgroßvater Inhaber eines Vermittlungsbüros für Landarbeiter. So war es und nicht anders. Daran ließ er nicht rütteln. Nichts da Herkules.
Er schnaufte, blinzelte hinaus in den Hof, der blaß und ruhevoll dalag. Vom Meer hatte sich ein leichter Abendwind aufgemacht, man hörte ihn im Laub der Eiche. Bald werden Sterne da sein, den Abendstern kann man wahrscheinlich schon sehen.
Es ist gut, daß es zu Ende geht. Bis jetzt ist das Sterben verhältnismäßig einfach. Als er sich das letztemal seinem Sohn Titus zulieb auf den Triumphwagen gestellt hat, um den Sieg über die Juden zu feiern, und den ganzen Tag aufrecht in den schweren Kleidern des Capitolinischen Jupiter hat herumfahren müssen, meine Lieben, das zum Beispiel ist viel härter gewesen. Jetzt wird er höchstens ein paar Minuten aufrecht stehen müssen.
Er hat wild herumgefuhrwerkt über den Erdkreis. Hat sich in England mit den Barbaren herumgeschlagen, in Rom mit dem Senat und dem Militärkabinett. In Judäa haben sie ihn verwundet, in Afrika mit Pferdeäpfeln nach ihm geschmissen, in Ägypten mit Heringsköpfen. Es ist wild auf und ab gegangen in seinem Leben. Er war Bürgermeister von Rom, Konsul, Triumphator, aber auch Spediteur, Vermittler von Adelstiteln, Agent für dunkle Finanzgeschäfte, mehrmals bankrott. Wenn er sich nicht hat kleinkriegen lassen, dann ist das eigentlich das Verdienst der Eiche da draußen im Hof, dieser alten, heiligen Eiche des Mars. Sie hat, so haben ihm Mutter und Großmutter immer wieder erzählt, bei seiner Geburt einen unwahrscheinlich üppigen Wurzelschößling getrieben, ein Zeichen dafür, daß er vom Schicksal zum Höchsten bestimmt war. Lange genug hat sie sich blamiert, die heilige Eiche. Er hat gestöhnt, wenn seine Mutter und später seine Freundin, die Dame Cänis, unter Berufung auf diese Eiche ihn immer von neuem quälten, er dürfe sich nicht, wie er es doch so gerne wollte, behaglich hier auf dem Gut als zufriedener Bauer zur Ruhe setzen. Nun ja, er hat sich gefügt, hat fluchend weitergeschuftet. Schließlich hat die Eiche ja auch recht behalten, und seine Mutter und Großmutter, deren verräucherte Wachsbüsten draußen im Vorraum stehen, können zufrieden sein.
Es dämmert. Seine Gedanken werden dumpf und wirr, der Betäubungstrank beginnt zu wirken. Eine fettige Hand bemüht sich, die Mücken zu verscheuchen, die sich immer wieder auf der schweißigen, lederigen Haut seines Gesichts niederlassen wollen. Er blinzelt. Es ist Claudius Regin, der ihm die Mücken wehrt. Ein Halbjude, aber kein schlechter Mann. Vierzig Milliarden haben gefehlt, als Vespasian die Geschäfte übernahm. Vierzig Milliarden. Der Summe will ins Auge geschaut sein. Der Jude hat ihr ins Auge geschaut. Ohne den Juden hätte er sie nicht geschafft.
Claudius Regin, Halbjude, Mann aus dem Osten. Vespasian weiß, daß er ohne die Hilfe des Ostens nie Kaiser geworden wäre. Aber er ist Römer, der Osten ist ihm unheimlich, er mag ihn nicht. Man muß aus dem
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