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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ein Geschenk des Kronprinzen Titus, im Gürtel trägt; mechanisch, mit kleinen Schlägen klopft er auf das Holz des Tisches. Der Kaiser hat ihn wieder und wieder auf eine besondere, sehr bittere Art gedemütigt. Hat ihm das Mädchen Mara hingeworfen, nachdem er selber sich an ihr sattgeliebt hatte, hat ihn gezwungen, diesen seinen Wegwurf zu heiraten, trotzdem er wußte, daß das für ihn Ausstoßung aus dem Priesterstand und Bann bedeutete. Oft und abermals, solange Josef in seiner Umgebung war, hat er ihn mit derben, bäurischen, bösartigen Späßen gequält, vielleicht weil er wußte, daß Josef über Mächte und Eigenschaften verfügte, die ihm selber fremd und versagt waren. Alles in allem hat der Kaiser den Josef so behandelt, wie das hochmütige Rom eben immer den Osten traktierte. Der Osten war älter, länger zivilisiert, hatte tiefere Bindungen zu Gott. Man fürchtete diesen Osten, er zog einen an und war einem unheimlich. Man brauchte ihn, nützte ihn aus und zeigte ihm zum Dank und zur Rache bald Wohlwollen, bald Verachtung.
      Josef dachte an seine letzte Begegnung mit dem Kaiser. Er preßte die Zähne aufeinander, daß die Jochbogen seines knochigen, blaßbraunen Gesichts doppelt stark hervortraten. Es war bei dem großen Empfang gewesen, den Vespasian unmittelbar vor Antritt seiner letzten, erfolglosen Erholungsreise gegeben hatte. »Bekommen wir jetzt bald die Neufassung Ihres ›Jüdischen Krieges‹, Doktor Josef?« hatte er ihn gefragt, eine Menge Menschen hatten zugehört. Und »Seien Sie diesmal gerechter mit Ihren Juden«, hatte er hinzugefügt mit seiner rauhen, knarrenden Stimme. »Ich gestatte Ihnen, gerecht zu sein. Wir können uns das jetzt leisten.« Ließ sich ein frecherer Hohn denken? War es billig, ihn als gekauftes Werkzeug abzutun, sein Buch als läppische Schmeichelei? Josefs Gesicht rötete sich, heftiger mit dem Schreibzeug klopfte er auf den Tisch. Er hat den hochmütig behaglichen Tonfall des Alten genau im Ohr. »Ich gestatte Ihnen, gerecht zu sein.« Es ist gut, daß der Mund, der solche Worte sprach, keine Gelegenheit mehr haben wird, ähnliche zu sprechen. Er malt sich aus, wie dieser Mund jetzt schmal und verzerrt ist, weit offen vielleicht oder auch fest zugesperrt, krampfig bemüht jedenfalls um letzten Atem. Er wird keinen leichten Tod haben, sein Kaiser, er ist so voll Leben, es wird ihn sicher hart ankommen, dieses Leben zu lassen. Es wäre auch schwer zu ertragen, wenn diesem Manne ein leichter Tod vergönnt wäre.
      »Ich gestatte Ihnen, gerecht zu sein.« Schön, sein Buch war dazu angetan, die römische Herrschaft zu festigen, die Juden des Ostens von einem neuen Aufstand abzuhalten. War das nicht im höchsten Sinne »gerecht«? Die Juden waren endgültig besiegt. Ihren großen Krieg so darzustellen, daß die Aussichtslosigkeit eines neuen Aufstands jedermann sichtbar wurde, war das nicht verdienstvoll im jüdischen Sinne noch mehr als in dem der Römer? Ach, er weiß, welche Lockung es ist, sich nationalem Hochgefühl hinzugeben. Er selber hat sich davon tragen lassen, als der Aufstand losbrach. Aber daß er damals, die Nutzlosigkeit der wilden und großen Unternehmung erkennend, den patriotischen Brand in sich austrat und der besseren Vernunft folgte, das, wahrhaftig, war die beste Tat seines Lebens und, im höchsten Sinne, gerecht.
      Wer denn hätte das Buch über den jüdischen Krieg schreiben sollen, wenn nicht er? Er hat diesen Krieg von Jerusalem her und von Rom her erlebt. Er hat sich nichts geschenkt, er hat den Krieg mit angesehen bis zu seinem bitteren Ende, um sein Buch zu schreiben. Er hat die Augen nicht zugemacht, als man Jerusalem niederbrannte und den Tempel, das Haus Jahves, den stolzesten Bau der Welt. Er hat seine Landsleute sterben sehen in Cäsarea, in Antiochia, in Rom, wie sie in der Arena sich selber bis zum Tod zerfleischten, wie sie ertränkt, verbrannt, von wilden Tieren gehetzt wurden, zum Spaß johlender Zuschauer. Er hat es mit angesehen, als einziger Jude er, von der kaiserlichen Loge aus, wie die Zerstörer Jerusalems im Triumph in Rom einzogen und wie sie die besten der Verteidiger mitschleppten, gegeißelt, jämmerlich, zum Tode bestimmt. Er hat das durchgestanden. Es war seine Bestimmung, das alles aufzuschreiben, wie es war, auf daß man den Sinn dieses Krieges erkenne.
      Man kann die Geschichte des Krieges kühner schreiben, als er es getan hat, klarer, eindeutiger, freier. Er hat Konzessionen gemacht, hat manches

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