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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Zustand.
      Am Nachmittag aber, um von ihrem Kaiser Abschied zu nehmen, schritten in endlosem Zug Senat und Volk von Rom an dem Prunkbett vorbei, Hunderte vom Ersten, Tausende vom Zweiten Adel, Hunderttausende von den zwei Millionen Bewohnern der Stadt Rom.
      Niemand wagte fernzubleiben; man wußte, daß die Polizei Listen führte. Auch die hocharistokratischen Herren der Opposition stellten sich ein, an ihrer Spitze der Senator Helvid. Der Kaiser hatte seinen Vater töten lassen, weil der kühn die Rechte des Senats, der gesetzgebenden Körperschaft, hatte wahren wollen. Die Herren waren nicht wie ihre Väter, sie redeten nicht wie diese viel und laut, sie fügten sich. Aber sie vergaßen nicht. Der Tag wird kommen, da sie reden und handeln dürfen.
      Auch jetzt also bezeigen sie dem Regime Unterwerfung, traten vor die Leiche, im Trauerkleid, wie der Brauch es forderte. Sie schauten den Kaiser an; selbst im Tode, mit geschlossenen Augen, schien ihnen sein mächtiger Schädel bäurisch und gemein. Der Vater Helvid hatte sich seinerzeit mit stolzen Worten dagegen verwahrt, als Vespasian die Ehre, das zerstörte Capitol neu aufzubauen, für sich in Anspruch nahm. Sie, die jüngeren, waren gewitzt, sie hatten im Senat dafür gestimmt, daß man den toten Parvenü zum Gott erhebe. Mag man ihm Tempel und Standbilder errichten: er bleibt tot. Da liegt er, er verzieht nicht die langen, schmalen Lippen zu seinem bösartigen Grinsen, er kann nicht mehr über sie witzeln auf seine gemeine Art, der sie, die würdigen, vornehmen Herren, so gar nicht gewachsen sind. Haß und Hohn im Herzen, schauten sie auf die Leiche, und mit trauernden, ehrfürchtigen Gebärden verhüllten sie das Haupt gleich den andern und riefen mit den andern: O unser Kaiser Vespasian, o du sehr guter, sehr großer Kaiser Vespasian.
      Auch der Senator Junius Marull kam, der große Advokat und gefürchtete Redner, einer der reichsten Männer der Stadt. Er war kein politischer Gegner des Toten, aber er hatte dem Kaiser in seinen Geschäften Konkurrenz gemacht, und die beiden hatten einen langen, versteckten, erbitterten Kampf geführt. Als Vespasian sah, daß er den andern wirtschaftlich nicht schlagen konnte, hatte er ihn politisch und gesellschaftlich zu erledigen gesucht: er schloß ihn aus dem Senat aus, weil er – ein Vorwand von billiger Ironie – vor langer Zeit einmal in der Arena gegen eine spartanische Ringkämpferin angetreten sei. Der elegante, überfeinerte Marull hatte diese Maßregelung mit derselben gleichmütig spöttischen Geste hin genommen wie alle andern Handlungen des bäurischen Kaisers. Die Degradierung, nachdem er alle Genüsse der Welt ausgekostet, war dem blasierten Herrn nichts gewesen als eine neue Sensation. Höhnisch hatte er den breiten Purpurstreif und den hochsohligen Schuh der Hocharistokratie mit der Uniform der Entsagung vertauscht, mit dem härenen Mantel, dem Wanderstab, dem Bettelranzen des Stoikers, des Philosophen strengster Observanz. Sein härener Mantel freilich war vom ersten Schneider der Stadt angefertigt, sein Wanderstab mit Gold und Elfenbein eingelegt, sein Bettelranzen aus vornehmstem Leder. Im übrigen stand sein neuer Stoizismus ihm nicht weniger gut zu Gesicht als früher sein Prunk. Niemand konnte die Lehrsätze der stoischen Schule eleganter dozieren, und wenn er in der schönen Bibliothek seines Hauses über Philosophie sprach, dann drängte sich alles zu, was in der Stadt Geltung hatte.
      Auch heute kam Junius Marull in seiner Philosophentracht. Es war offenbar anstößig, daß der frühere Senator in diesem Aufzug vor die Leiche trat, aber die Zeremonialbeamten fanden keinen rechten Grund, es ihm zu verwehren. Den blickschärfenden Smaragd hielt er vor das hellblaue Auge, und, den Toten angelegentlich, ungebührlich lange beschauend, sagte er mit seiner lauten, näselnden Stimme: »Ich will mir unsern sehr guten, sehr großen Kaiser genau betrachten, bevor er ein Gott wird. Einem Stoiker ist manches erlaubt, was einem Senator vielleicht nicht anstünde.«
      Auch der jüdische Hofschauspieler Demetrius Liban verweilte ungeziemend lange vor der Leiche. Aller Augen waren auf dem sehr Berühmten, als er mit geübtem Schritt, der Würde, Trauer und Ehrfurcht ausdrückte, vor den Katafalk trat. In angemessener Entfernung blieb der nicht große Herr stehen, die etwas trüben, graublauen Augen richtete er eindringlich auf die geschlossenen des Kaisers. Er hatte eine Streitsache mit diesem

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