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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sterben, das bedeutet mir was. Also schlag ein, Teny Sells, du altes Festungsmäuslein. Euch werd ich’s zeigen!«
    Sells und Fenna waren kurz davor, die Wette mit Handschlag zu besiegeln, doch Hobock ging dazwischen. »Lass gut sein, Teny. Diese Wette ist nicht gerecht.«
    »Warum ist die nicht gerecht?«
    »Weil, wenn wieder jemand stirbt, verliert Eremith doppelt. Einen Mann und seinen Sold. Das ist nicht gerecht.«
    »Na, na schön, dann wetten wir eben andersrum!«, ließ Teny Sells nicht locker. »Wenn keiner mehr stirbt, krieg ich seinen Sold, und wenn einer draufgeht, kriegt er meinen.«
    »Lass einfach gut sein, Teny. Einfach gut.«
    Die vier schwiegen eine Weile und tranken gegen das Betrunkensein an.
    »So langsam verstehe ich«, sagte schließlich Fenna übertrieben artikuliert. »Ich verstehe, was die Leistung war.«
    »Die Leistung? Die Leistung von wem?«
    »Von Hauptmann Gayo. Serian Gayo. Beim großen Feldzug. Bisher habe ich immer gedacht: Ist doch keine Leistung. Zu fliehen. Abzuhauen. Während andere da oben vielleicht noch aushalten. Aber jetzt verstehe ich das. Selbst auf dem Rückweg kratzt man noch ab. Dass er das überhaupt geschafft hat, dass er an all den Löwen vorbeigekommen ist, an den Drachen und den Dingern, den …«
    »Echsengeiern und Haihunden«, half Gyffs ihm aus.
    »Genau. Dem ganzen Gekläffe und Gefletsche. Dass man da überhaupt rauskommt und findet die richtige Richtung und verliert nicht jeden Tag hunderttausend Mann. Ich hab das nicht hingekriegt.«
    »Du hast hunderttausend Mann verloren?«, fragte Sells schwankend.
    »Ich hab … hunderttausend Mann verloren. Hundert… tausend Korporale.« Fenna salutierte und stach sich dabei beinahe ein Auge aus.
    Hobock lachte, dann wurde er schlagartig wieder ernst und traurig.
    Das Bachmufest forderte etliche Opfer. Dabei war das Fest gar kein loderndes Rauschen mit einem zentralen Feierplatz auf dem Haupthof. Es ähnelte eher einem Schwelbrand, der sich zusehends vereinzelte, weil niemand sich dazu berufen sah, ihm Einhalt zu gebieten. Die Festung Carlyr hatte innerhalb des letzten Mondes drei Mann verloren und ein vierter Soldat einen Arm. Es herrschte das Gefühl, dieses Unglück mit Hilfe von Alkohol hinfortspülen zu müssen, nicht aus Spaß, sondern geradezu aus Pflichtbewusstsein.
    Je länger der 15. Blättermond sich in die Nacht hineinzog, desto mehr Soldaten kotzten und pissten irgendwohin oder wurden von Vorgesetzten oder Wachhabenden in hilflosem Zustand aufgefunden. Von der Zweiten Kompanie erwischte es vier Soldaten, von der Dritten Kertz, Emara, MerDilli, den frisch aus dem Lazarett entlassenen Jonis und von den Holtzenauen. Von den Holtzenauen hatte sogar dermaßen viel über den Durst getrunken, dass Ilintu ihn zur Beobachtung im Lazarett behielt. Das Prekäre an der Situation war, dass die meisten Vorgesetzten ebenfalls besoffen waren. Sämtliche Leutnants schnarchten übel riechend in der Offiziersmesse, Hauptmann Gollberg war mit seiner Kompanie noch nicht zurück. Also oblag es Oberst Jenko höchstpersönlich – unterstützt lediglich von einem ebenfalls nüchtern gebliebenen Korporal der Zweiten Kompanie und von dem nur leicht schwankenden Korporal Deleven von der Dritten – diesen »peinlichen, unmännlichen Schweinestall«, wie Oberst Jenko sich ausdrückte, so gut es ging, auszumisten. Die Volltrunkenen wurden entweder zu Ilintu oder ins Waschhaus zur Rosskur verfrachtet. Einer aus der Zweiten, der Oberst Jenko einen »sauertöpfischen Fettsack« genannt hatte, landete sogar in einer Zelle.
    »Unsere Leutnants sind eine Schande. Allesamt!«, schimpfte Oberst Jenko, als er Bedienstete zum Aufwischen von Kotzpfützen durcheinandertrieb.
    »Ich möchte mir die Freiheit herausnehmen zu widersprechen«, entgegnete Deleven mit schwerer Zunge. »Im Sinne der Götter, im Sinne Bachmus, ist es gut, das Fest ausreichend zu begehen. Das wird der Festung Glück bringen.«
    »Glück, Korporal?« Oberst Jenko lachte, ohne dass sein Gesicht auch nur die geringste Spur von Heiterkeit zeigte. »Glaubt Ihr etwa, eine Festung zu leiten, hat auch nur das Geringste mit Glück zu tun? Ich kann mich nicht auf Glück oder Unglück herausreden, wenn die Königin mich zur Rede stellt. Meine Aufgabe ist es, in dieser Festung das Funktionieren zu garantieren. Und eine solche Sauerei wie dieses Fest wird es hier nicht noch einmal geben, das kann ich Euch versprechen!«
    Deleven schwieg, auch weil er sauer aufstoßen musste.
    Der

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