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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Oberst redete sich jedoch von ganz alleine in Rage. »Wisst Ihr, Korporal Deleven, was Glück ist? Glück ist, dass Hauptmann Gollberg nicht in diesem Augenblick zurückkehrt und verfolgt wird und wir die Zinnen bemannen müssen mit Soldaten, die so sternhagelvoll sind, dass sie von ganz alleine in den Hof stürzen. Das ist pures, reines Glück! Aber selbst wenn wir jetzt angegriffen würden, müssten wir funktionieren können. Und wenn fünf Sechstel aller Leute ausfallen, wird eben das verbliebene Sechstel die ganze Wucht abfangen müssen. Das seid Ihr und ich und die Handvoll anderer Pflichtgetreuer, die uns noch zur Seite stehen.«
    »Ilintu.«
    »Zum Beispiel. Ilintu. Und die Schreiber. Ha! Und Sowis, mein gramgebeugter Adjutant. Das wird ein Gefecht, Korporal, das wird ein Gefecht!«
    Der folgende Tag war einer des allgemeinen Ausnüchterns. Niemand bellte laute Kommandos. Alles schien zu schlurfen und der Sonne auszuweichen.
    Die Dritte Kompanie begnügte sich mit zwei kurzen Laufübungen und anschließend einem gründlichen Säubern und Ausbessern ihrer Uniformen und Ausrüstung. Soldat Teppel kam nach Absitzen seiner dreitägigen Haftstrafe aus dem Kerker frei und gliederte sich wieder in den Infanteristenzug ein. Korporal Kindem machte an diesem Tag erste Schritte aus seinem Lazarettbett, aber Ilintu befand ihn immer noch für zu schwach, um bereits entlassen zu werden. Der Infanteristenzug wurde deshalb weiterhin von den beiden Leutnants geleitet.
    Leutnant Fenna stieg an diesem Tag zweimal auf den Nordturm, um ins Land jenseits der Felsenwüste Ausschau zu halten. Hauptmann Gollbergs Kavallerie war nun schon seit dem 13. dort draußen, seit drei Tagen also. Länger als jemals zuvor, mit ihrer Streckenplanung auf den von der Dritten vergrabenen Proviant vertrauend. Aber dies war das feindliche Land. Garsid war dort umgekommen. Und die zweiundzwanzig anderen, die nun im immerwährenden Schatten ruhten, wahrscheinlich ebenfalls.
    Auch am 17. Blättermond stieg Fenna zweimal auf den Turm.
    Am 18. sogar viermal. Oberst Jenko war nun ebenfalls dort oben anzutreffen, sein breites Gesicht von Sorgenfalten gezeichnet.
    Dennoch waren beide nicht auf dem Posten, als Gollbergs Erste Kompanie in der frühesten Morgendämmerung des 19. tatsächlich zurückkehrte.
    Und den Überlebenden mit in die Festung brachte.

2

    Das Gerücht verbreitete sich rasend schnell. Ein Überlebender! Gollberg hatte tatsächlich mitten im Land des Todes einen lebendigen Menschen gefunden, so wie er es immer angekündigt hatte!
    Sogar die Küchenjungen liefen auf den dämmernden Hof. Die Erste Kompanie war ein schweißdurchtränkter, staubiger Haufen, Reitern wie Pferden hingen die Zungen aus dem Hals. Und mitten in diesem Durcheinander aus Hufen und Steigbügeln, aufgescharrtem Dreck und krustigen Uniformen saß auf einem Pferd der Fremdkörper. Langhaarig, vollbärtig, schmutzig und schweigsam.
    Wenn man den Überlebenden nur flüchtig betrachtete, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dieser Mann sei von den Affenmenschen auf das Furchtbarste gefoltert worden. Erst bei näherem Hinsehen offenbarte sich, dass es nicht Narben oder Brandspuren waren, die das Gesicht und die Arme des Mannes bedeckten, sondern Tätowierungen. Winzige Bilder und Zeichen einer verschnörkelten Schrift, die mit Sicherheit keinem der etablierten Götter geweiht war.
    Die Küchenjungen fragten sich: War dieser Mann ein Soldat? Gehörte er zu den vielen unbekannten Uniformierten, die vor einem Jahr hier durchgezogen waren auf der Suche nach einer schwer zu beschreibenden neuen Art von Sieg? Oder war er einer der Magier? Er sah eher nach einem Magier aus.
    Einer der Küchenjungen behauptete sogar, bei dem Mann handele es sich um einen Affenmenschen. »Die langen Haare, der lange Bart. Wenn er jetzt noch auf allen vieren geht, wer will ihn da von einem Affen unterscheiden können?«
    Hauptmann Gollberg schirmte den Neuankömmling so gut es ging von den Schaulustigen ab. Auch Angehörige der Dritten Kompanie mischten sich nun, noch schlaftrunken und ungekämmt, unter die Menge. Die Leutnants Gyffs und Fenna spähten nebeneinander aus ihrem Quartiersfenster und verfolgten, wie der Überlebende zuallererst ins Lazarett geleitet wurde.
    Unterdessen wurde die Menge der Schaulustigen zerstreut. Die Leutnants Hobock und Sells übernahmen es, dafür zu sorgen, dass die gewohnten Abläufe der Festung Carlyr wiederhergestellt wurden. Die beiden hatten Oberst Jenko

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