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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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nebeligen und regnerischen Hängen des Nekerugebirges erhalten, auf einer Wanderung in seiner Jugend, als die Magie ihn traf, die Stimmen und die Schrift.«
    Jetzt übernahm wieder Hauptmann Gollberg: »Was er diesbezüglich zu erzählen hat, ist sehr verworren, aber ich denke, es ist auch vernachlässigbar. Uns interessiert ja weniger Onjalbans Jugendzeit, sondern die Dringlichkeit des Hier und Jetzt.«
    Hauptmann Gollberg versank in angespannter Nachdenklichkeit, also fuhr nun Oberst Jenko fort. »Onjalban schildert den Feldzug in Übereinstimmung mit den Berichten der Überlebenden, die uns im Regenmond … nun ja … beehrten , als großes Chaos. Angriffe aus dem Hinterhalt, nächtliche Meuchelmorde, Kampf gegen das Land, den Winter, die Atemluft, als hätte alles Schicksal sich verschworen, blablabla. Dann kam es zum Vorfall am Skorpionshügel . Der befehlshabende General wollte einen Vernichtungsschlag gegen eine größere Ansiedlung der Affenmenschen führen. Man hatte Magier dabei. Ihr kennt die Geschichte. Anstatt einen anständigen militärischen Angriff durchzuführen, versuchte man es mit Zauberei. Das Ganze ging natürlich nach hinten los, wie allzu oft in der Geschichte unseres Kontinents. Die Männer starben.«
    »Verbrannt von einem gleißenden Licht, das außerhalb jeglicher Kontrolle war«, ergänzte Lement.
    Der Oberst rümpfte die Nase. »Ha! Wie man’s nehmen will. Aber nun weicht Onjalbans Erzählung von der bislang bekannten offiziellen Version ab. An einen Hauptmann Gayo, der die Überlebenden zusammenrief und Richtung Süden in Sicherheit brachte, kann er sich nicht erinnern. Onjalban erzählt von Stille. Und Hitze.«
    »Er sagt, er sei inmitten einer brennenden Ebene wieder zu sich gekommen«, vollendete erneut Lement. »Das Land war sämtlicher Farben beraubt. Es erinnerte ihn an die Brücke der brennenden Blumen aus den Legenden längst vergessener Magier. Aber es war keine Brücke. Eher ein Totenreich. Und in diesem Totenreich taumelten Soldaten herum. Onjalban konnte drei Dutzend um sich versammeln. Sie waren alle blind, geblendet vom magischen Feuerlicht. Nur Onjalban konnte noch sehen, vielleicht, weil seine Wärmemagie ihn vor dem weißen Feuer in Schutz genommen hatte.«
    Fenna wünschte sich, diese Geschichte direkt aus Onjalbans Mund hören zu können, statt zusammengebastelt von Jenko, Lement und Gollberg. Es hätte der Eindringlichkeit eines Einzelnen, eines echten Zeugen bedurft, um solche phantastischen Bilder mit Leben zu erfüllen. Aber Onjalban war zu erschöpft.
    »Vielleicht auch nicht«, stellte nun wieder Hauptmann Gollberg Lements Zusammenfassung infrage. »Vielleicht war er ebenfalls blind, weil er keine Farben mehr sehen konnte. Vielleicht nahm er die Überlebenden anders wahr. Mit seinem magischen Sinn für Wärme vielleicht. Jedenfalls konnte er die ziellos Herumwankenden um sich scharen und sie an einen sicheren Ort führen. An eine Rückkehr nach Hause war wohl nicht zu denken. Jeder einzelne Schritt glühte unter den Füßen. Er führte sie, wie er sagt, eine Meile oder zwei weiter nach Norden, wo es kühler wurde und dunkler.«
    »Jetzt kommt ein Teil seines Berichts, den wir alle drei nicht richtig verstanden haben«, ergänzte Lement. »Er sagte, er sei dort oben drei Wesen von großer Schönheit begegnet: einem Mann, einer Frau und einem Knaben, alle drei mit silberfarbenen Augen. Der Mann hieß – Augenblick!« Der Schreiber blätterte in Notizen, die auf seinem Schoß lagen. »Der Mann nannte sich Baleam, die Frau Ebah und der Knabe Tarsuac. Es sei auch noch ein weiterer Mann dort oben gewesen, ein Mensch, in Abgrenzung zu den drei Silberäugigen, die wohl keine Menschen, aber auch keine Affenmenschen waren, und auch der Mensch, der vierte Fremde, sei kein gewöhnlicher Sterblicher gewesen, sondern er brannte in den Feuern der Ebene. Ich kann mir das nur so zusammenreimen, dass diese vier Wesen irgendwie für das Ausbrechen des gleißenden Lichtes verantwortlich zu machen waren. Magier aufseiten der Affenmenschen sozusagen.«
    »Magie aufseiten der Affenmenschen«, hauchte Gyffs andächtig.
    »Ja. Wenig erbaulich, nicht wahr?« Oberst Jenko lachte freudlos auf und schüttelte sich dabei wie ein bebender Berg. »Jedenfalls – durch diesen Visionenquatsch blickt keiner durch. Auch Onjalban selbst nicht. Wichtig sind nur die Fakten: Da oben gibt es noch drei Dutzend Überlebende, die allesamt ihr Augenlicht verloren haben, offensichtlich für immer, denn

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