Die Soldaten
Männer. Resea lächelte spöttisch. Die meisten anderen waren bleich und erschrocken.
Fenna ärgerte sich. Es war niemals gut, wenn ein Vorgesetzter sich auf Wortgefechte einlassen musste. Aber die Sachlage war kompliziert gewesen: Scapedo war noch kein vereidigter Soldat, dem man mit Disziplinierungsmaßnahmen drohen konnte. Es war besser, diesen ständigen Unruheherd aus dem Korps zu entfernen.
Die Frage war nun, wie es um Hanitz stand. Fenna ging zur Ostmauer hinüber. Leutnant Hobock, von den Holtzenauen, Plankett und Stodaert standen um den liegenden Hanitz herum. »Wie sieht’s aus?«
»Nicht gut«, sagte von den Holtzenauen. »Er hat das Bewusstsein verloren. Wir sollten ihn zum Lazarett hinübertragen.«
»Dann machen wir das. Was ist mit dir los, Plankett?«
Das Gesicht von Bertus Plankett war tränenüberströmt. »Ich hab’s genau mit angesehen. Sein Schädel hat … richtig geknirscht. Er wird doch nicht sterben, oder, Leutnant?«
»Hier stirbt niemand. Fasst mit an!« Zu viert trugen sie Hanitz hinüber ins Lazarett. Leutnant Hobock ging ihnen voraus. Die Stirn von Yinn Hanitz war eine einzige blutende Platzwunde. Das Blut lief ihm über Schläfen und Ohren und tropfte aus den Haaren auf den Hof.
Im Lazarett war es schattig und still. Es roch nach Äther, Schafgarbe und Melisse. Nur ein einziger Soldat aus der Zweiten Kompanie belegte ein Bett. Eine Sommererkältung hatte ihn niedergestreckt.
Die Frau, deren Gesicht sich Leutnant Fenna heute schon mehrmals eingeprägt hatte, kam sofort auf die Träger zugelaufen und wies dem Verwundeten ein Bett zu. Sie legten Hanitz so sanft wie möglich darauf.
»Ihr führt Euch ja gleich bei jedermann ein«, sagte sie zu Fenna, ohne ihn anzublicken. »Wie ist das passiert?«
»Er ist beim Rennen gestürzt und mit dem Kopf gegen eine Mauer gestoßen.«
Sie betastete Hanitz’ Schädel. »Das sieht nicht gut aus. Könnte gebrochen sein. Die kommenden Stunden werden den Weg weisen.«
Fenna hatte Gelegenheit, die Frau eingehender zu betrachten. Sie war weder Soldatin noch – wie es in Lazaretten gang und gäbe war – eine Schwester der Göttin Helele. Sie war jung und ausgesprochen schön. Ihr langes kastanienbraunes Haar wallte in Hunderten von welligen Kaskaden abwärts. Auch ihr Körper war sehr weiblich und zeichnete sich unter dem einfachen, bodenlangen Stoffkleid vielleicht sogar ein wenig mehr ab, als schicklich war. Fenna schätzte sie auf 24, vielleicht 25 Jahre. Ihre Augen waren ebenso kastanienbraun wie ihr Haar und von melancholischem Zuschnitt. In Chlayst hätte eine solche Frau wahrscheinlich als Liebesdienerin oder Tänzerin gearbeitet, vielleicht als Schauspielerin in einem der beiden Hafentheater – aber auf keinen Fall in einem Lazarett.
Fenna räusperte sich. »Ich möchte, dass er mit allen Ehren behandelt wird, obwohl er noch kein vereidigter Soldat ist. Falls die Festung für seine Behandlung nicht aufkommen möchte, werde ich sie von meinem eigenen Sold bezahlen.«
Jetzt sah die Frau ihn zum ersten Mal an. »Ich mache keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten. Macht Euch darüber keine Sorgen. Ich werde Euch wissen lassen, wie es um ihn steht.«
Fenna nickte. Das war eine deutliche Aufforderung zu gehen. Nach einem letzten Blick auf den bleich und blutig daliegenden Hanitz wandte er sich ab.
Von den Holtzenauen sprach die Frau noch einmal an. »Falls Ihr einen Assistenten benötigt – ich habe im Larnwald bei Schmetterlingsmenschen Heilkunde studiert.«
Die Frau sah auch ihn kurz an. »Das ist ungewöhnlich. Aber wie Ihr seht, ist zurzeit ausnahmsweise nicht viel los. Ich werde mich alleine kümmern können.«
Die fünf Männer verließen das Lazarett. Die Sonne draußen wirkte übertrieben hell nach der Schattenumfangenheit des Krankenzimmers.
»Ihr Name ist Ilintu«, raunte Leutnant Hobock Fenna zu, als sie wieder auf die Grünhörner zugingen, die gerade von Leutnant Sells daran gehindert wurden, sich zu schwatzenden Grüppchen zusammenzurotten. »Sie ist eine voll ausgebildete Heilerin. Als die Überlebenden des Feldzuges hier durchkamen, hat sie den Kranken das Sterben erleichtert. Aber sie hat nicht viel ausrichten können.«
»Die Überlebenden waren … vergiftet?«
»Ja. An Körper und Seele, hat Oberst Jenko mal gesagt.«
»Wie in Chlayst.« Der Kontinent war im Untergang begriffen. Das bestätigte sich immer wieder.
Fenna bedankte sich bei Leutnant Sells und übernahm wieder. »Es geht ihm den
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