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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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die, die Ihr ausgewählt habt? Das soll doch wohl ein Witz sein, Leutnant Fenna?!«
    Jetzt überlegte sich Fenna, ob er etwas Entschuldigendes sagen sollte wie »Das sind die Besten, die ich aus den Männern, die Leutnant Hobock mir überstellt hat, herauslesen konnte, Hauptmann«. Aber er hatte keine Lust, dem freundlichen Hobock die Schuld zuzuschieben. Der kleine Hauptmann mit seiner Hochnäsigkeit begann ihn zu ärgern. »Das ist kein Witz«, sagte er nur.
    »Untragbar!«, kicherte Gollberg humorlos auf. »Das fette Schwein soll in eine Uniform gepresst werden wie eine Wurst in einen Darm? Da lacht sich General Feudenstich ja zu Tode! Und der lange Kerl da – der bringt ja jede geordnete Reihe in Unruhe, das sieht ja aus, als würde da einer auf den Schultern eines anderen sitzen. Und er hier – was soll das sein? Ein Mädchen? Ein Junge? Ein Soldat etwa, Leutnant Fenna? Als Küchenhilfe könnte ich mir so jemanden vorstellen, aber doch nicht in der Uniform der Königin. Dann der mit den Augengläsern. Das gibt es doch gar nicht! Wenn er die im Kampf verliert, was macht er dann? Blind wie ein Maulwurf herumkriechen? Glaubt Ihr, dass ihr damit Eindruck machen könnt auf die Affenmenschen, Leutnant Fenna? Und der hier könnte ja der Vater der anderen sein. Was soll das denn? Geben wir jetzt Greisen das Gnadenbrot? Habt Ihr etwa die guten Leute aussortiert und präsentiert mir hier den Ausschuss?«
    Fenna presste die Kiefer aufeinander. Gollbergs Stimme war so laut und durchdringend, dass einige der Grünhörner ins Straucheln gerieten. Fenna konnte Furcht in ihren Gesichtern lesen.
    »Diese Männer sind am Leben, Hauptmann.«
    »Ja, das sehe ich auch. Und was soll mir diese bedauerliche Tatsache mitteilen?«
    »Dass jeder Einzelne von ihnen in diesem Augenblick mehr wert ist als das gesamte Erste Bataillon der Festung Carlyr, denn das gesamte Erste Bataillon der Festung Carlyr ist jetzt tot.«
    Hauptmann Gollberg wurde erst bleich, dann rot. »Wa-a-aas? Wisst Ihr eigentlich, was Ihr da redet, Ihr impertinenter Bursche? Wisst Ihr eigentlich, wessen Andenken Ihr in den Dreck zu ziehen trachtet? Ihr wollt diese … Ansammlung von … erbärmlichen … Außenseitern vergleichen mit dem ruhmreichen Bataillon des Hauptmanns Lüdrich Veels? Ihr wärt es nicht wert, die Sohlen seiner Stiefel zu lecken – ihr alle nicht!«
    »Mit Verlaub, Herr Hauptmann: Diese Männer befinden sich in der Ausbildung, und diese Ausbildung hat vor zwei Stunden erst begonnen. Selbstverständlich handelt es sich bei ihnen noch nicht um vollständig ausgeformte Soldaten. Genau dies soll ja meine Aufgabe sein: sie aus- und umzuformen. Und ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir meine Aufgabe nicht unnötig erschweren würdet, indem Ihr meine Männer grundlos beleidigt. Ihr beschwert Euch, dass einer dieser Männer zu groß ist? Ich sage: Man kann gar nicht groß genug sein als Soldat. Vielleicht werden wir eines Tages gegen Riesen kämpfen müssen. Dann werden wir froh sein, so jemanden in unserer Truppe zu haben. Ihr beschwert Euch, dass einer meiner Männer zu dick ist? Ich sage Euch: Dieser Mann hat allein mit seiner Massigkeit bei den Übungskämpfen drei andere Männer überrumpelt und bezwungen. Wenn er das mit Affenmenschen genauso macht, bin ich mehr als zufrieden mit ihm. Ihr beschwert Euch, dass einer meiner Männer zu alt ist? Ich setze darauf, dass Alter auch Lebenserfahrung bedeutet, Lebenserfahrung, die man vor allem im Feindesland und beim Zusammenhalten einer Kompanie gut wird brauchen können. Ihr beschwert Euch über Äußerlichkeiten. Meine Aufgabe jedoch besteht darin, eine funktionierende Kompanie zu erschaffen. Für Äußerlichkeiten habe ich keine Zeit.«
    Gollberg schnaubte. »Ihr hört Euch gerne reden, wie?«
    »Überhaupt nicht. Aber wenn Ihr mir keine andere Wahl lasst, werde ich meine Männer zu verteidigen wissen. Gegen den Feind oder gegen Euch – das ist mir gleich.«
    »Ihr seid arrogant, Leutnant Fenna, und das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich kann mir auch überhaupt nicht erklären, woher Ihr diese Arroganz nehmt. Wart Ihr nicht vorher in Chlayst stationiert? Und ist in Chlayst nicht alles in Scherben gegangen?«
    Für einen Moment sah Fenna ihn wieder vor sich: den Scheiterhaufen mit den Kindern obenauf. Die vergifteten Gesichter greisenhaft verzerrt. Die Ärmchen totenstarr ausgestreckt. Die trockenen Augen ihm zugewandt. Vorwurfsvoll.
    Der Leutnant beschloss, diesen Eindruck gegen Gollberg zu

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