Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Was hast du denn da unten gemacht? Warst du schwimmen? Ich will dir ja keine Angst einjagen oder so, aber da draußen sind Haie.«
»Ich war spazieren«, sagte Ellis und lehnte sich gegen das Geländer. »Wie spät ist es denn?«
Ty sah auf die Uhr. »Fast zwölf. Muss ja ein Riesenspaziergang gewesen sein. Ich sitze schon seit über einer Stunde hier.«
Ellis ließ sich auf den Boden sinken, ihre Beine waren plötzlich wacklig vor Erschöpfung. »Ich hab gar nicht gemerkt, wie weit ich gegangen bin. Mein Gott, ich muss mehrere Meilen am Strand entlanggelaufen sein. Und dann kam die Flut, und ich bekam irgendwie Schiss. Nachts, in der Dunkelheit, sehen alle Treppen gleich aus.«
»Ich geb dir einen Tipp«, sagte Ty. »Wenn du morgen an den Strand runtergehst, sieh dir die Treppe genau an. An den meisten sind kleine Metallschilder mit der Hausnummer angebracht. Auf unserem steht sogar Ebbtide , auch wenn man wirklich sehr nah rangehen muss, um es zu lesen.«
Ellis lehnte den Kopf gegen das Geländer und streckte die Beine auf den Holzbohlen aus, die noch die Wärme des Tages gespeichert hatten. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und zurück zum Haus gelaufen, in ihr Zimmer, bloß fort von Ty Bazemore. Aber sie war zu erschöpft. Körperlich und emotional.
Ty lehnte sich zurück und sah sie erwartungsvoll an.
»Vielleicht«, meinte Ellis nach einigen Minuten unbehaglichen Schweigens. »Vielleicht können wir ja so tun, als wäre dieser Abend heute nicht passiert. Du gehst zurück zu deiner Garage und dem Computer und ich zu … was auch immer.«
Ty rückte näher an Ellis heran. Er war so nah, dass sich ihre Schultern berührten.
»Warum sollen wir das tun?«, fragte er. »Ich meine, gab es heute Abend nichts, was dir gefallen hat?«
»Im Ernst?«, fragte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. »Willst du mir erzählen, dass du heute Abend Spaß hattest?«
»Du denn nicht?«
»Ich hab zuerst gefragt«, sagte sie.
»Aber ich habe gezahlt.«
»Na, gut«, gab Ellis nach. »Willst du wirklich, dass ich noch mal loslege?«
»Warum nicht? Machen doch alle.«
»Im Vergleich zu anderen ersten Treffen«, sagte Ellis und wischte sich Sand von den Beinen, »war unseres ziemlich furchtbar. Eine Katastrophe, könnte man sagen.«
Ty neigte den Kopf und sah sie an. »Was würdest du sagen, ab wann ging alles schief? Als du mein Sakko sahst? Ich glaube, die Ärmel sind ein bisschen geschrumpft.«
»An dem Sakko ist nichts auszusetzen«, erwiderte Ellis. »Außer vielleicht das Schild der Reinigung am rechten Ärmel.«
»Du hättest was sagen können.«
»Du hättest mir sagen können, dass dir Ebbtide gehört«, gab Ellis zurück. »Also sind wir quitt. Außerdem war das unsere erste Verabredung. Da sagt man so was nicht.«
»Aha.«
Ty ging den Abend noch einmal in Gedanken durch. »Mir ist aufgefallen, dass du nicht viel gegessen hast. Hat dir das Restaurant nicht gefallen? Zuerst hatte ich an ein Steakhaus gedacht oder an einen Italiener, aber dann dachte ich, Fisch ist besser. Wer mag keinen Fisch, wenn er am Meer ist?«
»Das Restaurant fand ich schön«, sagte Ellis zögernd.
»Aber?«
Sie rümpfte die Nase. »Schwertfisch. Urgs. Ich kann Schwertfisch nicht ausstehen.«
»Das hättest du auch sagen können.«
»Ich wollte höflich sein«, sagte Ellis.
»Beim nächsten Mal sagst du einfach, was du essen willst«, gab Ty gereizt zurück.
»Beim nächsten Mal könntest du mich einfach fragen, was ich essen will. Moment mal«, sagte sie. »Gibt es ein nächstes Mal?«
»Ich habe nur deshalb Schwertfisch bestellt, weil er das teuerste Gericht auf der Speisekarte war«, fuhr er fort. »Ich wollte Eindruck bei dir machen, falls du das nicht gemerkt hast.«
»Wirklich?« Ellis neigte den Kopf und betrachtete Ty. »Wie süß.«
»Gut, also abgesehen vom Schwertfisch, dem Schild von der Reinigung und der Sache mit Mr Culpepper: Was war sonst noch schlimm?«, fragte Ty. »Ich mein nur, damit ich meine Technik verbessern kann.«
Ellis verdrehte die Augen. »Es war ja nicht deine Schuld, aber es ist trotzdem ganz schön unangenehm, deine alte Freundin mit ihrem neuen Mann zu treffen, wenn wir zusammen ausgehen.«
Ty gab ein ersticktes Geräusch von sich. »Das war keine alte Freundin.«
»Nein? Kam mir so vor. Es hatte auf jeden Fall den Anschein, als hättet ihr eine gemeinsame Vergangenheit. Und ich hab Feindseligkeit gespürt. Nicht sonderlich gut überspielt, wenn ich das hinzufügen
Weitere Kostenlose Bücher