Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
verwitterten grauen Verandapfosten gespannt hatten.
Draußen war es immer noch unglaublich warm und schwül. Ellis warf einen Blick auf das verrostete Thermometer neben der Küchentür. Noch dreißig Grad! Sie schaute hoch zum großen samtenen Himmel, die Sterne waren so zahlreich und hell zu dieser Zeit der Nacht. Vielleicht würde sie noch einen Strandspaziergang machen, während sie auf Ty wartete. Ellis hatte in einem Zeitschriftenartikel gelesen, dass im Sommer Meeresschildkröten entlang der gesamten Ostküste an Land krochen, um ihre Eier abzulegen. Sie hatte sogar Schilder am Strand gesehen, auf denen die Gäste angehalten wurden, die Nester in Ruhe zu lassen. Wäre es nicht toll, wenn sie ein Gelege mit Schildkröteneiern finden würde? Ellis huschte zurück ins Haus, holte ihr Handy und schlenderte über den Holzsteg in die Dünen.
Am Ende des Holzstegs stellte sie ihre Schuhe ab und ließ die Füße in den kühlen, feuchten Sand sinken. Es war Ebbe. Ellis ging ans Ufer, das Wasser umspülte ihre Knöchel. Sie atmete tief durch, sog den Geruch von Salz und sonnendurchwärmtem Sand ein und ging in nördliche Richtung, zuversichtlich, sich diesmal nicht zu verirren und in Panik zu geraten.
Sie war eine Viertelstunde im Zickzack zwischen Ufer und Dünen marschiert, als sie plötzlich zwei parallele wellenartige Spuren entdeckte, die sich kreuzten und zu einer Art Krater im weichen Sand am Dünenrand führten.
Ellis spähte in die Vertiefung: Der Sand war aufgewühlt. Ob sie ein Nest mit Schildkröteneiern gefunden hatte? Sie schaute zurück zum Wasser und wunderte sich über die sonderbaren gekreuzten Linien, bis ihr der Gedanke kam, eine Spur könne von der Schildkröte stammen, die zu den Dünen gekrochen war, und die zweite vom Tier, als es ins Meer zurückkehrte.
Ellis kniete sich in den weichen Sand und untersuchte die Spuren genauer, ohne dabei Luft zu holen, so als könne das leiseste Geräusch das stören, was sich möglicherweise unter dem Sand befand. Wenn es ein Gelege war, durfte Ellis es dann berühren? Oder würde das die Mutterschildkröte abschrecken, so dass sie nicht mehr zu ihren Eiern zurückkäme und sich nicht um sie kümmerte? Ellis runzelte die Stirn. Sie hätte gerne mehr gewusst. Am liebsten hätte sie den Sand zur Seite geschoben, um zu sehen, ob dort tatsächlich Eier abgelegt waren. Stattdessen richtete sie sich auf und sah sich um, doch der Strand war verlassen. Als sie zum Himmel hochschaute, spürte sie einen Wassertropfen im Nacken.
Es begann zu regnen. Widerstrebend stand Ellis auf und wischte sich den Sand von den Knien. Suchend sah sie sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie das Nest markieren konnte, damit sie es am Morgen wiederfinden würde. Sie entdeckte ein abgerissenes Stück von einem Windschutz, von dem sie ein verwittertes Stück Holz abbrach. Wenige Zentimeter vom Nest entfernt bohrte sie es in den Boden. Der Regen wurde heftiger.
»So, ihr Schildkrötenbabys«, flüsterte sie. »Ich gucke morgen wieder nach euch, okay?«
Als Ellis durch den Regen zurück zum Haus lief, hörte sie das Signal ihres Handys und las die Textnachricht.
Ich bin da. Wo bist du?
Sie lächelte, schob das Telefon wieder in die Tasche, damit es nicht nass wurde, und lief schneller.
Sie war völlig durchnässt und außer Atem, als sie die letzte Stufe hoch zur Dachterrasse stieg. In der Wohnung brannte Licht, Ellis klopfte an die Tür. Ty öffnete und musste lachen, als er sie in ihrem pudelnassen Zustand sah.
»Schon wieder verirrt?«, fragte er und zog sie aus dem Regen ins Haus.
»Nein«, erwiderte sie aufgeregt. »Ich bin am Strand entlanggegangen und hab plötzlich Spuren im Sand entdeckt. Ty, ich glaube, ich hab ein Nest mit Schildkröteneiern gefunden!«
»Echt? Cool! Stimmt, momentan legen sie ihre Eier. Hast du sie wirklich gesehen?« Er verschwand in einem Zimmer und kam mit einem Handtuch zurück.
»Danke.« Ellis begann, Arme und Haare abzutrocknen. »Nein, ich hatte Angst, sie zu stören. Ich meine, ich weiß schließlich, dass Meeresschildkröten zu den bedrohten Tierarten gehören, und ich wusste nicht, ob es verboten ist, ans Nest zu gehen, deshalb hab ich mir ein Stück Holz gesucht und es in den Sand gesteckt, damit ich die Stelle wiederfinde. Wenn es wirklich ein Gelege ist, kann ich vielleicht morgen früh hingehen und nachsehen.«
»Du hast genau das Richtige getan«, sagte Ty anerkennend. »Hast du dir gemerkt, bei welchem Meilenschild es war?«
»Bei
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