Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Nummer siebzehn«, verkündete Ellis stolz.
»Vorbildliches Verhalten«, sagte Ty. »Ich rufe die Hotline vom Schildkrötenschutz an und sage Bescheid, dass du ein Nest gefunden hast, dann sperren sie es ab und bewachen es. Wenn es in einer stark besuchten Gegend liegt, bringen sie es manchmal sogar an einen sichereren Ort, wo es nicht so stark gestört wird.«
Ellis’ Gesicht glühte vor Aufregung. »Wir könnten doch jetzt noch mal hin, oder? Einfach nur ein bisschen den Sand wegschieben, um zu sehen, ob Eier drin liegen?«
Ty wies nach oben. »Bei diesem Regen?«
Ellis sah aus dem Fenster; es war ein regelrechter Wolkenbruch geworden.
»Oh«, sagte sie ernüchtert. »Wohl eher nicht.«
Sie blickte zu Boden, wo sich eine kleine Pfütze Regenwasser gebildet hatte, und zitterte.
»Dir ist kalt.« Ty eilte ins Nebenzimmer. Als er zurückkam, hielt er einen ausgewaschenen dunkelblauen Frotteebademantel in der Hand.
»Hier«, sagte er und reichte ihn Ellis. »Du bist pitschnass. Zieh deine Sachen aus! Ich stelle den Wasserkessel an. Und sieh mich nicht so an«, fügte er streng hinzu. »Ich überfall dich schon nicht, Herrgott noch mal. Von der Sorte bin ich nicht.«
Ellis lachte unwillkürlich. »Woher willst du wissen, dass ich nicht von der Sorte bin?«
»Manches weiß man einfach«, erwiderte Ty.
Ellis ging ins Nebenzimmer, sein Schlafzimmer, und schloss die Tür hinter sich. Neugierig sah sie sich um. Die Wände waren mit demselben verblichenen Zedernholz verkleidet wie die Außenwände der Wohnung. Die Holzdielen waren in Grau gestrichen, darauf lag ein verblasster rot-weiß gestreifter Flickenteppich. Das Bett bestand aus einer durchgelegenen Doppelmatratze, aber es war ordentlich gemacht, ein Quilt aus blauen und roten Patchworksternen war darübergebreitet. Ein Stehventilator in der Ecke verquirlte halbherzig die Luft.
Ellis zog ihre nassen Sachen aus. Sie ging ins angeschlossene Badezimmer, fand ein zweites Handtuch und trocknete sich gründlich ab, bevor sie sich in den zu großen Bademantel wickelte und an Tys Aftershave schnupperte. Das Bad war winzig, der Boden war mit zerkratztem Linoleum ausgelegt, neben einer Kommode hing ein Miniwaschbecken. Ellis blickte in den umwölkten Spiegel und schob sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Sie drückte einen Klecks von Tys Zahnpaste auf ihren Zeigefinger und putzte sich die Zähne, so gut es ging.
Heute ist es so weit, dachte sie voller Vorfreude. Sie legte ihre nassen Sachen auf den Handtuchhalter, knotete den Bademantel zu und tapste barfuß ins Wohnzimmer zurück.
»Hier«, sagte Ty und reichte ihr einen schweren Porzellanbecher. »Ich habe keine Milch oder Ähnliches da. Möchtest du vielleicht Honig?«
»Honig wär schön«, sagte Ellis. Sie beobachtete, wie Ty eine bärenförmige Plastikflasche aus dem Regal des Küchenbüfetts holte und Honig in den Becher laufen ließ. Bevor sie ihn aufhalten konnte, gab er einen ordentlichen Schuss Jack Daniels von einer Flasche hinzu, die auf der Arbeitsfläche stand.
»Ein Grog«, sagte er und reichte Ellis den Becher zurück. Er nahm seinen eigenen und schob Ellis in Richtung Sofa.
Sie setzte sich, trank einen Schluck vom dampfenden Tee und genoss das süße Brennen des Whiskeys. Ty hockte sich neben sie, und Ellis legte die nackten Füße auf den Couchtisch, der aus einer alten Schiffsluke gefertigt war. Sie kuschelte sich in seine Arme. Der Bademantel öffnete sich am Saum, doch Ellis kümmerte sich nicht darum. Heute Nacht nicht.
Sie gähnte.
»Langer Abend«, meinte Ty.
»Langer Tag. Die ganze Aufregung um Julia, die in Madisons Zimmer geschlichen ist. Ich hatte wirklich Angst, Madison würde sie in Stücke reißen«, sagte Ellis. »Aber jetzt ist, glaub ich, alles in Ordnung.«
»Gut«, sagte Ty und musste selbst gähnen. »Ich hab gesehen, wie ihr zusammen getanzt habt. Sah aus, als hättet ihr Spaß.«
Ellis lief rot an. »Das lag an all den Zitrolettes, die du uns geschickt hast.«
»Hab nur versucht, die Damen bei Laune zu halten«, gab Ty zurück.
Ellis sah ihm ins Gesicht. »Hast du geschafft.«
Sie schwieg eine Weile. Dann wollte sie etwas sagen: »Ty?«
»Hm?«
»Es ist wirklich schön hier bei dir.« Er küsste sie auf den Scheitel, und beide mussten gähnen. Seine Hand tastete sich zum Halsausschnitt des Bademantels vor und streichelte ihr Schlüsselbein. Ellis schloss die Augen, genoss die Wärme seiner Haut. Dies, genau dies hatte ihr so viele Jahre gefehlt. Sie fühlte sich
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