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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Kay Andrews
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weltfremden Professor, dessen Spezialgebiet Beowulf war. Es war Phyllis’ Idee gewesen, die drei Dunaway-Kinder nach amerikanischen Schriftstellern zu benennen – Willa nach Willa Cather, Nash nach Ogden Nash und die kleine Dorie nach Eudora Welty, ein völlig unpraktischer und weltfremder Vorname.
    »Was ist mit Gabe?«, fragte Julia. »Hat Dorie noch Kontakt zu ihrem Vater?«
    Dorie und die anderen Mädchen hatten gerade die siebte Klasse an der Schule begonnen, als die Dunaways ihre Trennung verkündeten. Kurz darauf zog Gabe Dunaway nach Statesboro, eine Autostunde entfernt, um dort als Englischlehrer am College zu unterrichten.
    Ellis zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, sie schickt ihm eine Karte zum Geburtstag und ein Geschenk zu Weihnachten. Er hat vor ein paar Jahren wieder geheiratet, und du weißt ja, wie ihre Mutter ist. Dorie traut sich nicht, seinen Namen auszusprechen, selbst nach so vielen Jahren nicht. Sie konnte ihn nicht mal zu ihrer Hochzeit einladen, da Phyllis sie bezahlt hat.«
    »Was für eine böse Hexe«, sagte Julia. »Mich wundert nur, dass Dorie so ausgeglichen ist, wenn man bedenkt, wie viele Jahre sie die Bosheiten von Phyllis ertragen musste. Mann, meine Mutter hatte einen richtigen Hass auf sie. Weißt du noch damals, als wir in der zehnten Klasse waren und Phyllis Dorie rausschmiss, weil sie herausgefunden hatte, dass sich Dorie heimlich mit einem Jungen traf, der von der Savannah High geworfen worden war, weil er Gras verkauft hatte? Damals wollte meine Mutter meinen Dad überreden, dass er Phyllis vorschlug, Dorie bei uns wohnen zu lassen.«
    »Nein!«, rief Ellis. »Das ist wirklich komisch. Als das passierte, hab ich meine Mutter nämlich auch angefleht, Dorie zu adoptieren. Gott segne meine Mutter, sie riss sich schließlich zusammen und rief Phyllis an, um ihr zu sagen, dass Dorie alles andere als die Matratze vom Dienst war. Phyllis redete nie wieder mit meiner Mutter. Mama und ich haben selbst so unsere Probleme, weiß Gott, aber ich vergesse nie, wie stolz ich auf sie war, als sie damals für Dorie eintrat.«
    »Wenn Phyllis meine Mutter gewesen wäre, ich glaube, ich wäre schon vor Jahren mit der Axt auf sie losgegangen«, vermutete Julia. »Als ob Dorie etwas dafür konnte, dass sie so hübsch ist. Ich glaube, Phyllis hatte Probleme damit, dass Dorie mehr nach ihrem Vater kam. Weißt du noch, dass sie Dorie immer ›mein süßes kleines Dummchen‹ nannte?«
    »Dabei war Dorie gar nicht dumm«, erwiderte Ellis. »Vielleicht hatte sie nicht so einen super Notendurchschnitt wie Willa, aber sie war auch nicht schlecht.«
    »Unwichtig«, meinte Julia. »Willa war immer die Intelligente, wenn es nach Phyllis ging. Willa studierte also Jura und wurde schon mit Mitte dreißig Teilhaberin in einer Anwaltskanzlei? Super! Jetzt praktiziert sie nicht mal mehr als Anwältin. Und was ist mit dem guten alten Nash, dem Stammhalter, dem goldenen Jungen, der nie etwas falsch machte? Was treibt der heutzutage? Ich habe fast Angst, Dorie danach zu fragen.«
    »Nash«, sagte Ellis lapidar. »Der ist und bleibt Nash. Schreibt immer noch Gedichte, obwohl er, soweit ich weiß, noch kein einziges Wort veröffentlicht hat. Als Letztes hab ich gehört, dass er mietfrei in dem alten Haus von Dories Oma auf der 48th Street wohnt. Und jetzt kommt’s: Er fährt einen großen alten Leichenwagen aus den Siebzigern und veranstaltet Geisterführungen zu Spukhäusern in der Altstadt.«
    »Das meinst du nicht ernst!«, sagte Julia.
    Ellis legte die rechte Hand aufs Herz. »So wahr mir Gott helfe. Als ich das letzte Mal zu Hause war, hab ich gesehen, wie er auf der Bay Street Flugblätter verteilte. Du hättest ihn mal sehen müssen«, sagte sie kichernd. »Er trug einen Overall und dazu eine Gasmaske aus dem Army-Shop. Auf dem Rücken hatte er was, das wie ein alter Staubsaugerbeutel aussah. Er gab mir seine Visitenkarte. Zuerst dachte ich, er wollte was von mir, dann wurde mir klar, dass er nur fünfundachtzig Dollar für seine popelige Rundfahrt haben wollte. Ist das zu fassen? Julia, er hat sogar eine eigene Website.«
    »Ghostdusters.com«, erklärte Dorie, die barfuß ins Esszimmer getappt kam. Sie hatte sich eine Pyjamahose und ein Top von Hello Kitty angezogen. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz auf dem Kopf zusammengebunden. Sie sah aus wie dreizehn. »Ist das nicht zum Totlachen? Die ganze tolle Ausbildung, und er hockt in Omas Haus und kutschiert Touristen durch die Stadt und erzählt

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