Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Ellis.
»Trotzdem: das war es wert«, meinte Dorie. »Amber Peek, diese verlogene Zicke.«
Beide sahen Julia an und warteten darauf, dass sie ihre eigene Tirade gegen ihre Erzfeindin Amber Peek beisteuerte.
»Die gute alte Amber«, sagte Julia. »Sie war eine Zicke und eine Schlange, und ich bin froh, dass ihr ihren Wagen ruiniert habt. Aber sie hat nicht gelogen. In dem Fall nicht. Ich war wirklich schwanger.«
17
Ellis und Dorie lehnten sich auf ihren Stühlen zurück. Sie waren zu geplättet, um etwas zu sagen.
»Guckt mich nicht so an«, flehte Julia mit bebender Stimme. »Ich wollte es euch ja erzählen. Aber meine Mutter hat sich so geschämt … es war ihr so peinlich. Ich musste ihr schwören, dass ich es geheim halte. Fast hätte ich es euch an dem Abend nach ihrer Beerdigung gesagt, bei uns zu Hause, aber dann konnte ich es doch nicht. Nicht in ihrem Haus. Nicht nach dem Versprechen.«
Irgendwann griff Ellis zu dem verstreuten Kartenspiel. Sie begann, eine Patience zu legen.
»Warum erzählst du es uns dann jetzt?«, fragte sie.
»Ich wollte es unbedingt«, sagte Julia. »Ich wollte es euch schon seit langem sagen. Aber ich hatte Angst davor, was ihr von mir denken würdet.«
»Ach, Julia«, sagte Dorie sanft. »Julia.«
Ellis zog die Stirn kraus. »Aber … du hattest nicht mal einen Freund im letzten Schuljahr.«
Julia zeigte ihr typisches Grinsen. »Keinen, von dem ihr wusstet. Ihr hättet es nicht gut gefunden. Er war Ranger, stationiert am Luftwaffenstützpunkt Hunter. Wir lernten uns auf einem Austernfest am Strand kennen. Er wollte sich mit mir verabreden, ich traf mich mit ihm. Er war süß, obwohl er so eine hässliche Frisur hatte, wie sie damals allen Soldaten verpasst wurde. Ich wusste, dass er total hin und weg von mir war.«
»Hatte er auch einen Namen?«, fragte Ellis, leicht verärgert, weil Julia so viele Jahre ein derartiges Geheimnis gehütet hatte.
»Jack«, sagte Julia. »Er hieß Jack, war zwanzig Jahre alt, und am besten fand ich an ihm, dass er gut einen halben Kopf größer war als ich – das gab den Ausschlag. Ich meine, ich war eins achtzig groß, es gab nicht gerade viele Typen, zu denen ich aufschauen konnte. Wir trafen uns genau vier Mal, dann schliefen wir miteinander.«
»Er hat dich gezwungen?«, rief Dorie. »Vergewaltigt?«
»Nein«, wiegelte Julia ab. »Er war lieb. Ich wollte es auch. Ich war achtzehn und hatte beschlossen, nicht länger Jungfrau zu sein. Schließlich«, sagte sie mit Blick auf Dorie, »hattest du es bereits in dem Sommer getan, bevor das letzte Schuljahr begann, und was Ellis anging, die würde wohl nie einen dranlassen. Deshalb beschloss ich, es einfach zu versuchen.«
»Und?«, fragte Ellis und war sich nicht sicher, wie sie es fand, als potentielle Nonne betrachtet zu werden.
»Er war lieb«, sagte Julia, und ihr Gesicht wurde weich bei der Erinnerung. »Auch wenn ich nicht glaube, dass er viel mehr Erfahrung hatte als ich. Die Erde hat nicht gebebt, aber andererseits war’s auch kein Alptraum. Egal, könnt ihr euch an den Schwachsinn erinnern, der damals erzählt wurde? Dass man beim ersten Mal nicht schwanger werden könnte? Es stellte sich heraus, dass es wirklich Schwachsinn war.«
»Du hattest ungeschützten Sex mit einem Soldaten?«, fragte Dorie und riss die Augen auf. »Du hättest dir Aids holen können. Oder Syphilis.«
»Es war nicht völlig ungeschützt. Er hatte ein Kondom, aber es muss wohl sehr alt gewesen sein. Und ich hab mir ja keine Krankheit geholt. Wurde nur schwanger.«
»Du liebe Güte!« Ellis schob die Spielkarten zu einem Stapel zusammen. »Julia, wie konntest du das die ganze Zeit geheim halten? Wir hatten ja keinen Schimmer. Nie. Nicht mal als Amber Peek anfing, sich über dich auszulassen.«
»Und das Kind?«, fragte Dorie nun. »War das Weihnachten, als du am Blinddarm operiert wurdest? Der war es in Wirklichkeit gar nicht?«
»Es ist nicht so, wie ihr glaubt«, sagte Julia. »Als meine Tage ausblieben, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Ihr wisst vielleicht noch, dass ich sie nicht gerade regelmäßig bekam. Aber als dann im nächsten Monat auch nichts passierte, wusste ich Bescheid. Ich brachte es aber einfach nicht übers Herz, es meinen Eltern zu sagen. Es hätte sie fertiggemacht. Wie sich herausstellte, war das auch nicht nötig. Am letzten Tag vor den Weihnachtsferien ging ich direkt nach der Abschlussprüfung in Chemie zur Toilette. Ich hatte tierische Bauchschmerzen. Ich hatte ja
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