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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Peryton, der dich nicht gehört hat.« Abuelita war schon auf den Beinen, klatschte in die Hände und drehte sich in kleinen, verzückten Kreisen. »Gold, Fina! Für die Augen, Gold, ja ! So haben wir es in Las Perlas gemacht!«
    Langsam setzte Joey sich auf, schüttelte den Kopf auf ihrem steifen Nacken: »Abuelita, ihr hattet kein Gold in Las Perlas. Ihr hattet nicht mal fließendes Wasser.«
    »Fließend Wasser nicht. Geld nicht, natürlich nicht. Aber Gold! « Ihre Großmutter hockte sich neben Joey, sprach ernsthaft, doch lachte sie mit ihren Worten. »Immer war irgendwo etwas Gold, besonders in einem kleinen, armen Ort wie Las Perlas. Ein Armband wie das, was ich dir gegeben habe, Ohrringe, eine Uhr, ein alter Orden vielleicht oder sogar eine Schuhschnalle. Du wärst überrascht, was alles aus Gold ist und wer welches besitzt. Tú sabes, für alle Fälle, verstehst du.« »Wie Mr. Papas.« Joey rieb sich mit den Knöcheln die Augen, die noch zusammenklebten. »Mr. Papas mit all seinen Münzen in einem kleinen Kasten, für alle Fälle. Und seine Freunde genauso.« Ihr Gähnen verschluckte die letzten Worte. »Okay, was ist nun mit dem Gold? Was ist mit den Augen?«
    »Pues, also das einzige, was es da drunten in Las Perlas reichlich gab, waren Blinde, Menschen mit schlimmen Augenproblemen. Besonders Kinder.« Mit den Ellbogen auf ihren Knien beugte sich Abuelita vor, faltete die Hände. »Also. Irgendwer kam mit einem Ring, einem Armreif, und man schmolz ihn zusammen und gab ein paar Dinge hinzu. Zerstampfte das Gold auf einer metate, auf einer Steinplatte, machte eine – was? Eine embrocacion? – , machte eine Art Salbe und verrieb sie auf den Augen. Sie war heiß, das weiß ich noch. Ich weiß nicht, ob es das Gold war, aber ich weiß noch, wie es sich in meiner Hand anfühlte.« Sie seufzte ausgiebig und zart. »Ay, du hast einiges versäumt, Fina, weil du nicht in Las Perlas aufgewachsen bist.«
    »Das möchte ich wetten«, sagte Joey. Inzwischen war sie hellwach, erinnerte sich daran, daß Abuelita viele Geschichten von Las Perlas erzählt hatte. »Und hat es funktioniert? Hat irgend jemand sein Augenlicht wiederbekommen?«
    »La verdadl Leute, die vollkommen erblindet waren, sahen nach kurzer Zeit wieder. Das ist die Wahrheit, Fina!« Selbst ohne Mond leuchteten Abuelitas Augen vor Freude.
    »Tja, es gibt aber keine goldenen Uhren in Shei’rah, soviel ist mal klar…« Joeys Stimme erstarb, langsam stand sie auf, und dann fragte sie so leise, daß Abuelita sich anstrengen mußte, um sie zu hören: »Welche anderen Dinge? Was habt ihr sonst noch reingetan?«
    »Ah, darüber muß ich erst nachdenken.« Abuelita seufzte, runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. »Was könnte es wohl gewesen sein? Was hatten wir? Blätter, es gab eine spezielle Sorte Blätter, die man zermahlen mußte. Geh du und such uns etwas Gold, während ich versuche, mich zu erinnern, Fina. Solche Dinge fallen einer alten Frau nur langsam ein. Geh nur, ich bleibe hier.« Abuelita ging in die Hocke, hielt die Fingerspitzen aneinander, lächelte ins Nichts und sah dabei so friedlich und beständig wie ein Baum aus. Und Joey stolperte halb lachend, halb verzweifelt und total durcheinander in die Dunkelheit hinein, auf der Suche nach Gold.
    Während Joeys Bekanntschaft mit den Ältesten hatte es nie eine Situation gegeben, in der sie den einen oder anderen von ihnen richtiggehend gesucht hatte. Sie kamen und fanden einen
– oder auch nicht. Daran dachte sie, als sie den Abendrotwald durchstreifte, bis sie an den Rand der Ebene kam, auf der sie die jungen Einhörner zum ersten Mal beim Grasen und Wettlauf gesehen hatte. Dann hielt sie inne, mit beiden Händen hinterm Rücken, und in Gedanken sprach sie mit Indigo. Hör mal, du magst mich nicht, ich weiß nicht, ob du irgend jemanden magst, abgesehen davon, daß du zu Abuelita wirklich nett warst. Also, es geht um Abuelita, und es geht um das Erblinden der Ältesten, und falls dir das etwas bedeutet.,. ich bin hier, und wir können reden. Okay? Okay, ich denke, das war’s soweit. Und dann, weil sie sich so unglaublich albern vorkam und übermütig obendrein, fügte sie hinzu: Hier spricht Radio Freies Woodmont, wir beenden unser Programm, und setzte sich hin und wartete.
    Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Musik Shei’rahs, die meist im Morgengrauen anschwoll und dann über den Vormittag hin langsam wieder abnahm, war zu einem süßen Flüstern verklungen, und da sah Joey ihn.

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