Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
der Ladenhüterabteilung ausleiht, und jetzt betritt sie zögerlich den Laden und umklammert ihre riesige Handtasche wie einen Schild. An ihrem Hut steckt eine Pfauenfeder. Das ist neu.
Ich versuche, meine Augen unabhängig voneinander einzusetzen, sodass eines auf den Laptop und das andere auf Lapin schaut. Es funktioniert nicht.
»Hallo, guten Abend«, sagt sie. Lapin hat eine Stimme, die sich anhört wie ein altes ausgeleiertes Tonband, das vor sich hin wabert und ständig die Tonlage verändert. Sie hebt die Hand, die in einem schwarzen Handschuh steckt, um die Pfauenfeder zurechtzuzupfen, oder vielleicht will sie sich nur vergewissern, dass sie noch da ist. Dann zieht sie ein Buch aus der Tasche. Sie bringt B VRNES zurück.
»Hallo, Ms. Lapin!«, sage ich, zu laut und zu hastig. »Was darf ich Ihnen holen?« Ich erwäge, mithilfe meines gespenstischen Prototyps den Titel ihres nächsten Buchs vorherzusagen, ohne ihre Antwort abzuwarten, aber mein Bildschirm ist gerade belegt mit –
»Was hast du gesagt?«, quakt Kats Stimme. Ich stelle den Laptop auf stumm.
Lapin bemerkt es nicht. »Ja, also«, sagt sie und schwebt zu mir zum Schreibtisch, »ich weiß nicht genau, wie man es ausspricht, aber ich glaube, es könnte Par-dschi-ki heißen oder vielleicht, vielleicht Pra-dschins-ki –«
Nicht im Ernst, oder? Ich gebe mir alle Mühe, den Namen zu transkribieren, aber die Datenbank zeigt mir keinen Tref fer an. Ich versuche es erneut mit weiteren phonetischen Mutmaßungen. Nix, gar nix. »Ms. Lapin«, sage ich, »wie buchstabiert man das?«
»Oh, also zuerst ein P, B, ja, das ist ein B, Z, B, nein, entschuldigung, dann Y …«
Nicht – im – Ernst.
»Dann wieder B., also nur ein B, Y, nein, ich meine, doch, Y …«
In der Datenbank erscheint: Przybylowicz. Das ist einfach lächerlich.
Ich rase die Leiter hoch, ziehe P RZYBYLOWICZ mit solcher Wucht aus dem Regal, dass ich seinen Nachbarn P RYOR mit herausreiße und er fast zu Boden fällt, und kehre zu Lapin zurück, mein Gesicht zu einer stählernen Maske der Verärgerung gefroren. Kat bewegt sich stumm auf dem Bildschirm, winkt jemandem zu.
Ich habe das Buch eingepackt, und Lapin hat ihre Karte gezückt – 6 YTP 5 T –, aber dann schwebt sie zu einem der kleinen Regale im vorderen Bereich hinüber, zu denen mit den normalen Büchern. Bitte nicht.
Lange Sekunden vergehen. Sie arbeitet sich durch das Brett mit der Aufschrift R OMANE , und die Pfauenfeder macht einen Hüpfer, wenn sie den Kopf zur Seite neigt, um die Buchrücken zu lesen.
»Oh, ich glaube, ich nehme das hier noch mit«, sagt sie schließlich und kommt mit einem leuchten roten Danielle- Steel-Hardcover zurück. Dann braucht sie ungefähr drei Tage, um ihr Scheckheft zu finden.
»So«, sagt sie in ihrem leiernden Tonfall, »also das wären dreizehn Dollar und wie viele Cent?«
»Siebenunddreißig.«
»Dreizehn … Dollar …« Sie schreibt enervierend lang sam, aber eins muss man ihr lassen, sie hat eine wunderschöne Handschrift. Geheimnisvoll und geschwungen, fast kalli grafisch. Lapin streicht den Scheck glatt und unterschreibt langsam: Rosemary Lapin. Sie reicht mir den ausgefüllten Scheck, und ganz am unteren Rand informiert mich eine winzige, getippte Zeile darüber, dass sie Mitglied der Telegraph Hill Credit Union ist, und zwar seit – oh, wow – seit 1951.
Mann. Wie komme ich dazu, diese alte Frau für meine eigene Verschrobenheit zu bestrafen? Etwas in mir wird weich. Meine Maske schmilzt, und ich lächle sie an – diesmal richtig.
»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Ms. Lapin«, sage ich. »Kommen Sie bald wieder.«
»Oh, ich arbeite so schnell ich kann«, sagt sie und schenkt mir ihrerseits ein süßes Lächeln, das ihre Wangen zu zwei blas sen Pflaumen anschwellen lässt. Festina lente . Sie schiebt ihren Schatz aus dem Ladenhüterregal zusammen mit dem sündigen Vergnügen in ihre Handtasche. Beide schauen oben heraus: mattbraun und knallrot. Die Tür bimmelt, und sie und und ihre Pfauenfeder sind verschwunden.
Die Kunden sagen das manchmal. Sie sagen: Festina lente.
Ich stürze zurück an den Bildschirm. Als ich wieder auf laut schalte, unterhalten sich Kat und Trevor immer noch angeregt. Er erzählt eine neue Geschichte, diesmal über eine Expedition zur Aufheiterung depressiver Pinguine, und anscheinend ist sie saukomisch. Kat lacht. Reichlich viel Ge lächter sprudelt aus meinen Laptop-Lautsprechern. Trevor ist anscheinend der klügste,
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