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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Speisekarten und Poster und (falls ich daran erinnern darf) ein preisgekröntes Logo entworfen hatte, habe ich alles über den Marktplatz für digitale Schrifttypen gelernt. Nirgendwo sonst ist das Verhältnis von Kohle zu Bytes dermaßen haarsträubend. Was ich damit sagen will: Ein E-Book kostet ungefähr zehn Dollar, stimmt’s? Und es enthält in der Regel etwa ein Megabyte Text. (Übri gens: Jedes Mal, wenn Sie bei Facebook reinschauen, laden Sie mehr Daten herunter.) Bei einem E-Book sieht man, was man gekauft hat: die Wörter, die Absätze, die vermutlich langweiligen Angebote von digitalen Marktplätzen. Wie sich herausstellt, umfasst eine digitale Schrift auch etwa ein Megabyte, aber eine digitale Schrift kostet nicht zehn Dollar, sondern ein paar Hundert, manchmal ein paar Tausend, und sie ist ab strakt, mehr oder weniger unsichtbar – ein schmaler Umschlag mit einer Formel für winzige Buchstabenformen. Das ganze Arrangement beleidigt die Intelligenz der meisten potenziellen Kunden.
    Darum versuchen sie natürlich auch, die Schriften raubzukopieren. Ich bin keiner von denen. Ich habe einen Typografiekurs an der Uni besucht, und als Abschlussprojekt musste jeder eine eigene Schrifttype entwerfen. Ich hatte für meine große Ambitionen – sie hieß Telemach –, aber es waren einfach zu viele Buchstaben zu zeichnen. Ich konnte sie nicht rechtzeitig fertigstellen. Am Ende hatte ich nur die Großbuchstaben geschafft, die sich für schreiende Reklameposter und Steinplatten anboten. Darum glauben Sie mir, ich weiß, wie viel harte Arbeit in diesen Formen steckt. Typografen sind Designer, Designer sind meine Leute; ich fühle mich verpflich tet, sie zu unterstützen. Aber jetzt teilt mir FontShop. com mit, dass Gerritszoon Display, die von der FLC -Schriftgießerei in New York vertrieben wird, 3 989 Dollar kostet.
    Also werde ich natürlich versuchen, eine Raubkopie zu machen.
    Eine Idee zuckt mir durchs Hirn. Ich schließe den FontShop-Tab und gehe auf Grumbles Bibliothek. Da gibt es nicht nur Raubkopien von E-Books. Da gibt es auch Schrifttypen – illegale Buchstaben in jeder Form und Größe. Ich blättere mich durch die Listen: Metro und Gotham und Soho, die alle nur darauf warten, abgeholt zu werden. Myriad und Minion und Mrs Eaves. Und siehe da: auch Gerritszoon Display.
    Ich verspüre einen Hauch schlechtes Gewissen, als ich sie herunterlade, aber es ist wirklich nur ein winzig kleiner Hauch. Die FLC -Schriftgießerei ist wahrscheinlich nur irgend so was wie eine Tochterfirma von Time Warner. Gerritszoon ist eine alte Schrift und ihr gleichnamiger Schöpfer schon seit Ewigkeiten tot. Was kümmert es ihn, wie seine Schrifttype genutzt wird und von wem?
    Mat setzt das Wort über einen sorgfältig abgepausten Umriss vom Symbol der Buchhandlung – zwei Hände, geöffnet wie ein Buch –, und fertig ist unser Entwurf. Am nächsten Tag bei ILM fertigt er mit einem Plasmaschneider eine Schablone aus Altmetall – in Mats Welt ist ein Plasmaschneider so normal wie eine Schere –, und schließlich pressen wir sie mit einer dicken Schraubzwinge in das künstlich verwitterte Leder. Sie ruht, stumm vor sich hin prägend, drei Tage und drei Nächte auf dem Küchentisch, und als Mat die Zwinge löst, ist der Einband perfekt.
    Endlich ist die Zeit gekommen. Es wird Nacht. Ich übernehme Oliver Grones Platz am Schreibtisch neben dem Eingang und beginne meine Schicht. Heute will ich meinen An spruch auf die Abenteuer in Kats Welt geltend machen. Heute werde ich den Büchertausch durchziehen.
    Aber wie sich zeigt, würde ich einen lausigen Spion abgeben – ich schaffe es einfach nicht, meine Nervosität abzuschütteln. Ich habe schon alles probiert: Ich habe lange Aufsätze über investigativen Journalismus gelesen, die Computerversion von Rockets & Warlocks gespielt und bin vor den Ladenhütern auf und ab gegangen. Ich kann mich nicht länger als drei Minuten auf irgendetwas konzentrieren.
    Jetzt sitze ich einfach wieder nur am Schreibtisch, rutsche jedoch ständig auf meinem Stuhl hin und her. Wäre Gezappel eine Wikipedia-Überarbeitungsfunktion, hätte ich den Eintrag über »Schuldgefühle« inzwischen komplett umgeschrieben und in fünf neue Sprachen übersetzt.
    Endlich ist es drei viertel sechs. Hauchdünne Ranken der Morgendämmerung schleichen sich von Osten her an. Menschen in New York fangen leise an zu twittern. Ich bin vollkommen fertig, weil ich die ganze Nacht unter Strom gestanden habe.
    Ich

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