Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
normal –, bis sie eines Tages plötzlich einen Laib Uran kaufen.
FABRIKAT UND MODELL
I n den Tagen, die nun folgen, verbringe ich mehr Zeit mit Kat. Ich lerne ihre Wohnung kennen, von Monitoren ungefiltert. Wir machen Videospiele. Wir machen rum.
Einmal versuchen wir, auf ihrem Großküchenherd ein Abendessen zu kochen, aber mittendrin erklären wir den dampfenden Grünkohlmatsch für missraten. Sie zieht einen hübschen Plastikbehälter aus dem Kühlschrank, der mit würzigem Couscous-Salat gefüllt ist. Kat kann kein Salatbesteck finden, darum serviert sie ihn mit einem Eisportionierer.
»Hast du den Salat gemacht?«, frage ich, weil ich mir das nicht vorstellen kann. Er ist perfekt.
Sie schüttelt den Kopf. »Er ist aus der Arbeit. Ich bringe meistens Essen mit nach Hause. Wir kriegen es umsonst.«
Kat verbringt den Großteil ihrer Zeit bei Google. Ein Groß teil ihrer Freunde arbeitet bei Google. Ihre Gespräche drehen sich größtenteils um Google. Nun erfahre ich, dass auch der Großteil der Kalorien, die sie zu sich nimmt, von Google stammt. Ich finde das beeindruckend: Sie ist klug, und sie begeistert sich für ihre Arbeit. Aber es macht mir auch zu schaffen, denn mein Arbeitsplatz ist kein funkelnder Kristallpalast voller gut gelaunter Cracks. (So stelle ich mir Google vor. Und dass sie da alle mit verrückten Mützen herumlaufen.)
Der Beziehung, die ich zu Kat in ihren Nicht-Google-Stunden aufbauen kann, sind Grenzen gesetzt, einfach weil wir nicht besonders viele Stunden miteinander haben, und ich glaube, ich will mehr als das. Ich möchte mir den Zutritt zu Kats Welt verdienen. Ich möchte die Prinzessin in ihrem Schloss sehen.
Meine Eintrittskarte zu Google ist Logbuch VII .
Im Verlauf der nächsten drei Wochen stellen Mat und ich in mühsamer Kleinarbeit ein Double des Logbuchs her. Oberflächen sind Mats Spezialität. Als Erstes nimmt er einen Bogen neues Leder und färbt ihn mit Kaffee ein. Dann schleppt er aus seinem Horst auf dem Dachboden ein Paar klassische Golfschuhe an; ich quetsche meine Füße hinein und laufe zwei Stunden lang auf dem Leder hin und her.
Die Innereien des Logbuchs erfordern mehr Recherche. Spätnachts im Wohnzimmer arbeitet Mat an seiner Miniaturstadt, während ich mit meinem Laptop auf der Couch sitze, wild umhergoogle und lange Abhandlungen zur Bücherherstellung vorlese. Wir erfahren alles über das Einbinden. Wir spüren Großhändler für Velinpapier auf. Wir finden matten, elfenbeinfarbenen Stoff und dicken schwarzen Zwirn. Wir kaufen einen Druckstock auf eBay.
»Das machst du ziemlich gut, Jannon«, sagt Mat zu mir, als wir die leeren Seiten einleimen.
»Was, Bücher binden?« (Wir widmen uns dieser Aufgabe am Küchentisch.)
»Nein, Dinge im Vorbeigehen lernen«, sagt er. »Darum geht’s in meiner Branche auch. Nicht wie die Computer typen, weißt du? Die machen einfach dauernd dasselbe. Da bei geht’s immer nur um Pixel. Für uns ist jedes Projekt anders. Neues Werkzeug, neue Materialien. Alles ist immer wieder neu.«
»Wie das Dschungelmonster.«
»Genau. Ich hatte achtundvierzig Stunden Zeit, um ein Bonsai-Meister zu werden.«
Mat Mittelbrand hat Kat Potente noch nicht kennengelernt, aber ich glaube, sie würden sich gut verstehen: Kat, die vom Potenzial des menschlichen Gehirns so fest überzeugt ist, und Mat, der alles in einem Tag lernen kann. Beim Gedanken daran kann ich mich plötzlich für Kats Standpunkt erwärmen. Wenn wir es schaffen würden, dass Mat noch tausend Jahre weitermacht, könnte er uns wahrscheinlich eine ganz neue Welt bauen.
Der krönende Abschluss des falschen Logbuchs und zugleich die härteste Herausforderung ist die Prägung auf dem Umschlag. Das Wort N ARRATIO ist auf dem Original tief ins Leder gestanzt, und nach einer herangezoomten Prüfung der Referenzbilder entdecke ich, dass auch dieser Text in der guten alten Gerritszoon gesetzt ist. Keine gute Nachricht.
»Warum?«, fragt Mat. »Ich glaube, ich habe die Schrift auf dem Computer.«
»Du hast die Gerritszoon«, sage ich bedauernd, »die sich für E-Mails, Bücherblogs und Lebensläufe eignet. Das hier« – ich zeige auf die Vergrößerung von N ARRATIO auf meinem Laptop-Monitor – »ist eine Gerritszoon Display, die für Plakatwände, Zeitschriftendoppelseiten und offenbar auch für okkulte Bucheinbände gedacht ist. Guck mal, die Serifen sind spitzer.«
Mat nickt besorgt. »Die Serifen sind allerdings sehr spitz.«
Als ich damals bei NewBagel
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