Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
mit Penumbra? Irgendwie erscheint auch er mir mehr als ein Mann von Welt. Ich denke an seine Buchhandlung mit den großen breiten Schaufenstern. Ich denke an die ersten Worte, die er zu mir gesagt hat – »Was hoffst du in diesen Regalen zu finden?« –, begleitet von einem breiten, einladenden Lächeln.
Corvina und Penumbra waren einmal dicke Freunde; ich habe den fotografischen Beweis dafür gesehen. Corvina muss damals ganz anders gewesen sein … wirklich buchstäblich ein anderer Mensch. An welchem Punkt schlägt man einen anderen Weg ein? An welchem Punkt sollte man jemandem einfach einen neuen Namen geben? Tut uns leid, nein, Sie können jetzt nicht mehr Corvina sein. Ab jetzt sind Sie Corvina 2.0 – ein zweifelhaftes Upgrade. Ich muss an den jungen Mann auf dem Foto denken, der den Daumen hochstreckt. Ist er für immer verschwunden?
»Es wäre wirklich besser, wenn es eine Filmemacher in wäre«, sagt Neel. »Im Ernst. Ich muss mehr Geld in diese Stiftung stecken. Ich habe erst ein Stipendium vergeben, und das ging an meine Cousine Sabrina.« Er überlegt. »Es könnte sein, dass das nicht ganz legal war.«
Ich versuche, mir Neel in vierzig Jahren vorzustellen: Glatze, Anzug, ein anderer Mensch. Ich versuche mir Neel 2.0 oder Neel Shah, Business-Mentor, vorzustellen – einen Neel, mit dem ich nicht mehr befreundet sein kann –, aber es will mir einfach nicht gelingen.
Zurück im Northbridge, sehe ich zu meiner Überraschung Kat und Penumbra auf den niedrigen Sofas zusammensitzen und sich angeregt unterhalten. Kat gestikuliert begeistert, und Penumbra lächelt, nickt, und seine blauen Augen leuchten.
Als Kat aufschaut, lacht sie. »Ich habe eine zweite E-Mail bekommen«, platzt es aus ihr heraus. Dann zögert sie, aber ihr Gesicht ist lebhaft und zuckt, als könne sie einfach nicht hinterm Berg halten mit dem, was als Nächstes kommt: »Sie erweitern das PM auf hundertachtundzwanzig Personen, und – ich bin dabei.« Ihre Mikromuskeln sind förmlich entflammt, und sie quietscht fast: »Sie haben mich genommen!«
Ich stehe mit leicht geöffnetem Mund da. Sie springt auf und umarmt mich, und ich umarme sie, und wir vollführen in der ultracoolen Lobby des Northbridge ein kleines Tänzchen im Kreis.
»Was bedeutet das überhaupt?«, fragt Neel und setzt die Pizzaschachtel ab.
»Ich glaube, es bedeutet, dass dieses Nebenprojekt ge rade ein bisschen Managementunterstützung bekommen hat«, sage ich, und Kat wirft jubelnd die Arme hoch.
Um Kats Erfolg zu feiern, wechseln wir alle vier an die Bar in der Northbridge-Lobby, die mit winzigen mattschwarzen Mikrochips gekachelt ist. Wir sitzen auf hohen Barhockern, und Neel gibt eine Runde Drinks aus. Ich trinke etwas, was sich Blue Screen of Death nennt und tatsächlich neonblau ist. In einem meiner Eiswürfel blinkt hell eine Leuchtdiode.
»Also, damit ich das richtig verstehe – du bist jetzt ein Hundertachtundzwanzigstel von Googles Geschäftsführung?«, fragt Neel.
»Nicht ganz«, sagt Kat. »Wir haben einen Geschäftsführer, aber Google ist viel zu kompliziert, um von einer einzigen Per son geführt zu werden, darum wird er vom Produktmanagement unterstützt. Du weißt schon … wollen wir in diesen Markt einsteigen, wollen wir jene Übernahme machen.«
»Mann!«, sagt Neel und springt von seinem Hocker. »Über nehmt mich!«
Kat lacht. »Ich bin mir nicht sicher, ob 3-D-Busen –«
»Es geht nicht nur um Busen!«, sagt Neel. »Wir machen den ganzen Körper. Arme, Beine, Schultern, was du willst.«
Kat lächelt nur und nimmt einen Schluck von ihrem Drink. Penumbra nippt an zweieinhalb Zentimetern goldenen Scotchs in einem Tumbler mit dickem Boden. Er wendet sich Kat zu.
»Liebes Kind«, sagt er. »Glaubst du, es gibt Google in hundert Jahren noch?«
Sie überlegt einen Moment, dann nickt sie heftig. »Ja.«
»Weißt du«, sagt er, »ein ziemlich berühmtes Mitglied des Ungebrochenen Buchrückens war eng mit einem jungen Mann befreundet, der ein ähnlich ambitioniertes Unternehmen gegründet hat. Und er sagte genau dasselbe.«
»Welches Unternehmen?«, frage ich. »Microsoft? Apple?« Kann es sein, dass Steve Jobs mit der Gemeinschaft geliebäugelt hat? Vielleicht ist die Gerritszoon deswegen auf jedem Mac vorinstalliert …
»Nein, nein«, sagt Penumbra und schüttelt den Kopf. »Es war Standard Oil.« Er grinst; wir sind ihm in die Falle getappt. Er schwenkt sein Glas und sagt: »Ihr seid in eine Ge schichte hineingeraten,
Weitere Kostenlose Bücher