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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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verwahrlost wirken, wäre da nicht zweierlei: erstens ein breites Vinylschild, das schief am Eingang befestigt ist und auf dem P OP -U P P IE steht; zweitens der sich angenehm ausbreitende Geruch frischer Pizza.
    Drinnen herrscht Chaos – ja, es hat hier definitiv gebrannt –, aber die Luft ist voller Wohlgerüche, voller Kohlehydrate. Vorn steht ein Spieltisch mit einer verbeulten Spardose darauf. Dahinter wuselt eine Bande rotgesichtiger Teenager in einer behelfsmäßigen Küche. Einer wirbelt einen wabbeligen Teigfladen hoch über seinen Kopf herum; ein anderer schneidet Tomaten, Zwiebeln und Paprika. Drei weitere stehen nur herum, reden und lachen. Hinter ihnen ist ein großer Pizza ofen aus nacktem, angeschlagenem Metall, durch dessen Mitte längs ein dicker blauer Rallyestreifen verläuft. Er steht auf Rädern.
    Musik plärrt aus zwei Plastiklautsprechern, eine kräch zende, quietschende Melodie, von der ich vermute, dass nicht mehr als dreizehn Leute auf der ganzen Welt sie je gehört haben.
    »Was kann ich euch bringen?«, überschreit einer der Teen ager die Musik. Naja, vielleicht ist er auch kein Teenager. Das Personal hier besetzt einen schnurrbartlosen Platz irgendwo zwischen halbstark und erwachsen; wahrscheinlich studieren sie alle an der Kunstakademie. Unser Kellner trägt ein weißes T-Shirt mit einer grinsenden Micky Maus, die eine AK -47 schwingt.
    Okay, jetzt keinen Fehler machen: »Einen Hogwarts Spezial«, rufe ich ihm zu. Der Micky-Rebell nickt einmal. Ich füge hinzu: »Aber ohne Pilze.« Pause. »Glaube ich.« Aber Revoluzzer-Micky hat sich schon wieder abgewendet und berät sich mit seinen Kollegen.
    »Hat er dich auch verstanden?«, flüstert Neel. »Ich darf keine Pizza essen. Wenn sie uns tatsächlich Pizza servieren, bist du für den Verzehr zuständig. Gib mir bloß nichts ab. Selbst wenn ich darum bitte.« Er verstummt. »Wahrscheinlich bitte ich darum.«
    »Ich werde dich am Mast festbinden«, sage ich. »Wie Odysseus.«
    »Wie Captain Bloodboots«, sagt Neel.
    In den Drachenlied-Chroniken überredet Fernwen, der gelehrte Zwerg, die Crew der Starlily, Captain Bloodboots an den Mast zu fesseln, nachdem er versucht hat, dem singenden Drachen die Kehle durchzuschneiden. Also richtig. Wie Captain Bloodboots.
    Micky der Revoluzzer kehrt mit einer Pizzaschachtel zurück. Das ging schnell. »Das macht sechzehn fünfzig«, sagt er. Moment, habe ich hier irgendwas falsch gemacht? Soll das ein Witz sein? Hat Grumble uns auf den Arm genommen? Neel schaut skeptisch drein, zückt aber einen neuen Zwanzigdollarschein und gibt ihn ihm. Im Gegenzug erhalten wir eine XL -Pizzaschachtel, auf die in verlaufener blauer Tinte P OP -U P P IE gestempelt ist.
    Die Schachtel ist nicht heiß.
    Draußen auf dem Gehweg mache ich sie auf. Es befinden sich ordentlich gestapelte Teile aus dickem Karton darin, alles lange, flache Formen mit Schlitzen und Laschen, die inein anderpassen. Es ist der Bausatz eines GrumbleGear. Die Rän der sind schwarz angekokelt. Diese Formen wurden mit einem Laserschneider angefertigt.
    Auf der Innenseite des Schachteldeckels steht in dicker Markerschrift eine Nachricht von Grumble, ob in seiner eige nen Handschrift oder in der seines Brooklyner Lakaien, werde ich nie erfahren:
    Specialis Revelio
    Auf dem Heimweg schauen wir bei einem zwielichtigen Elektroladen vorbei und kaufen zwei billige Digitalkameras. Dann schlagen wir uns auf den Straßen von Lower Manhattan zum Northbridge durch, Neel mit der Schachtel unter dem Arm, ich mit den Kameras in einer Plastiktüte, die mir gegen das Knie schlägt. Wir haben alles, was wir brauchen. Bald gehört M ANVTIVS uns.
    Die Stadt ist ein permanentes grelles Aufjaulen von Verkehr und Kommerz. Taxis hupen vor Ampeln, die gerade auf Gelb schalten; lange Menschenschlangen laufen auf klappern den Absätzen vor den Läden der Fifth Avenue hin und her. An jeder Straßenecke stehen lose Grüppchen von Leuten, die lachen und rauchen und Kebab verkaufen. San Francisco ist eine gute, eine schöne Stadt, aber sie ist nie so lebendig. Ich atme tief ein – die Luft ist kühl und schneidend, gewürzt mit Tabak und geheimnisvollen Fleischgerüchen –, und mir fällt wieder Corvinas Warnung an Penumbra ein: Du kannst die Zeit, die dir bleibt, auch da draußen vertändeln. Herrje. Unsterblichkeit in einer unterirdischen Katakombe voller Bücherregale oder den Tod hier oben, mit allem Drumherum? Für mich bitte den Tod und einen Kebab. Und wie steht es

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