Die Sonne war der ganze Himmel
ebenso verblüfft und verwirrt wie alle anderen. Der alte Bettler stand mit Murph im Licht der Scheinwerfer vor der Wand einer baufälligen, alten Hütte. Dann nahm er Murph bei der Hand und führte ihn in das Dunkel.
Der Mann sah erst den Dolmetscher an, dann uns. »Sie gehen in Gasse … Und weg.« Wir lösten seine Fesseln, stießen nach Nordwesten zum Kreisverkehr vor, durchschritten weichen Staub, der wie Lindenblütenpollen an unseren Hosen haftete. Schatten und Vögel huschten vorbei, verschwanden in das Ungewisse, dumpfe Geräusche drangen von überall her an unsere Ohren: ferner Motorenlärm, ein heiser atmender Greis in einem Hauseinang, das Rascheln, mit dem seine Frau den Saum ihres Gewandes über den Lehmboden zog. Schließlich erreichten wir eine flache Erhebung. Dahinter erblickten wir Lichter, wie hingekleckst in alle Richtungen.
Wir fächerten uns vor dem Kreisverkehr auf. Die Menschen vor uns liefen verwirrt zwischen den Autos umher, sprachen leise miteinander, deuteten aufgeregt dahin und dorthin, als wollten sie die Wendungen kartieren, die das Leben in solch eigentümlichen Momenten nehmen kann.
Vor dem Betreten des Kreisverkehrs prüften wir die Waffen, legten uns Drohungen zurecht; irgendjemand zuckte mit den Schultern. Dann richteten wir uns auf, traten aus den Rändern des Dunkels, fremdartig und bedrohlich für die unten versammelten Männer. Die meisten ergriffen die Flucht. Wir verfolgten sie nicht, denn wir wussten, dass sie Angst vor uns hatten. Andere sprangen in ihr Auto, rasten mit einem schrillen Heulen auf der Straße davon, und der Gestank von Gummi mischte sich in den Verwesungsgeruch, der die Luft erfüllte.
Wir durchkämmten die Umgebung des Kreisverkehrs. Die Straßenlaternen summten leise. Die zurückgelassenen Autos waren noch warm und gaben in unregelmäßigen Abständen klackende Geräusche von sich. Wir suchten in den Schatten nach Spuren von Murph, nach einem Hinweis darauf, wohin er verschwunden sein konnte. Dann rief ein Private aus einer Gasse, deren Eingang durch ein verwittertes, grünes Vordach verdeckt wurde.
Er lag auf den Knien und durchwühlte einen Berg Obst, verfault und bedeckt von unzähligen Fliegen. Wir gingen zu ihm, sahen zu, wie er, umschwirrt von Insekten, in der feuchten Pampe wühlte, eine Schneise bahnte, bis sich eine dunkle Pfütze vor dem Hintergrund der fauligen Zitrusfrüchte abzeichnete. Ein Geruch nach Kupfer mischte sich in den des Obstes, das der Bettler zusammengeklaubt hatte.
»Das ist Blut«, sagte jemand. Licht fiel durch die Gasse. Wir folgten den matt im Lichtschein glänzenden Fußspuren. Sie führten zu einem Labyrinth von Treppenfluchten und auf keiner Karte verzeichneten Straßenecken. Wir prüften noch einmal die Waffen, und das leise, metallische Geräusch der Verschlüsse verlieh uns Selbstvertrauen. Dann drangen wir weiter vor.
Eine Schwalbe flog durch das Dunkel, ihre Rufe zeichneten ihre Flugbahn nach. Sie führte uns zu einem Ort, an dem sich die Gasse mehrfach verzweigte. Mitten auf dieser Kreuzung lag ein alter, in Sackleinen gehüllter und nach fauligem Obst stinkender Mann. Jemand gab ihm einen Tritt, doch der Greis reagierte nicht. Das Blut tropfte im Mondschein vom Stiefel des Soldaten, es war noch nicht geronnen. Wir drehten den Bettler um. Der Gestank schwieliger, zerkratzter Schwären, aufgeplatzt durch die Schläge, die er erhalten hatte, drohte, uns zu überwältigen. Die Totenblässe breitete sich rasant auf seiner runzeligen Haut aus. Sergeant Sterling, im Dunkeln vor der leblosen Gestalt stehend, biss auf seine Unterlippe und schob die Hände in die Hosentaschen. Sein Gewehr hing lose über der Schulter.
»Was jetzt?«, fragten wir.
Sterling sah uns an, zuckte mit den Schultern. »Scheiße, ich habe keine Ahnung.«
Der Tote zuckte, aber das war nur die beginnende Leichenstarre, ein letztes Verkrampfen der leblosen Muskeln über morschen Knochen. Wir wussten beim besten Willen nicht, welche Richtung wir einschlagen sollten. Wir suchten die Steine nach Fußabdrücken ab. Uns überkam jene Angst, die Murph unterwegs verloren hatte, ein Verlust, der ihn in die Höhle des Löwen getrieben hatte, zu schwach, um sich wehren zu können, hilflos wie ein Kind, das sich in der Wildnis verirrt hatte. Wir stellten uns vor, wie er, in der Gasse schlafend, von Männer entdeckt worden war, die ihn in einen Keller verschleppten, ihn schlugen und verbrannten, seine Eier abschnitten, seine Kehle durchtrennten, ihn um
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