Die Sonne war der ganze Himmel
flirrenden Luftspiegelung, alles andere war verschwommen, verdoppelt oder stand Kopf. Das Maultier schritt vorsichtig mit dem Holzbein aus, der Mann führte es geduldig auf uns zu. Er war nicht mehr weit weg, da sahen wir die zwei Köter, sie sprangen hinterher. Als der Alte vor uns stand, musterte er uns so gründlich, als wären wir zur Inspektion unserer Uniformen angetreten, und sagte dann: »Gib Zigarette, Mister.« Ich reichte ihm eine. Er zündete sie an, inhalierte den Rauch und lächelte.
Sterling packte Murphs Beine, wollte ihn anheben. Wir konnten nicht alles ungeschehen machen, nein, wir hatten nie die Möglichkeit dazu gehabt. Irgendetwas sagte mir, dass ich dies schon einmal getan hatte, in einem vage erinnerten, früheren Leben. Wir hatten eine Entscheidung getroffen. Ich ging zu Sterling, packte Murph bei den Armen, erschauderte kurz und heftig. Mein Herz hämmerte. Wir hoben Murph an, vertrieben die auf seiner Haut sitzenden Fliegen, vermieden es, seine leeren Augenhöhlen anzuschauen, als wir ihn hinten auf dem Karren zwischen Tonkrüge, Steingut und Strohpuppen legten.
»Wir übergeben ihn dem Fluss«, sagte Sterling. »Her mit dem Feuerzeug, Bart.«
Ich reichte ihm das Zippo, das er brennend in das verdorrte Gestrüpp unterhalb des Minaretts warf.
»Auf geht’s«, sagte er.
Der Fluss war nicht weit weg, und wir folgten dem Alten, der sein Maultier zu einem leichten Trab anspornte. Wir liefen hinter dieser seltsamen Menagerie von Mann, Maultier und Hunden her, bis der Fluss in Sicht kam. Er schwappte auf das Ufer, die Binsen schwankten im flachen Wasser.
Sterling tippte auf meine Schulter, wies hinter mich, und im Schein der Sonne, die ihren Zenit gerade überschritten hatte, sah ich, dass das Feuer von dem Gestrüpp auf das Minarett übergegriffen hatte. Sollte es niederbrennen. Sollten diese Scheißkerle verbrennen. Das Minarett loderte auf wie eine Fackel. Mir kam der Gedanke, dass wir wegen dieses einen Turms vielleicht die ganze Stadt in Schutt und Asche legten, und ich schämte mich, vergaß jedoch rasch, wofür.
Sterling starrte mich an und flüsterte dann: »Scheiß auf die Ärsche, Mann. Scheiß auf die ganze Welt.« Ich glaube, er sagte das vor allem zu sich selbst.
Wir folgten dem Karren auf der breiten, zum Flussufer führenden Straße, die von Pappeln und Leichen gesäumt war; trübe, braune Schemen aller Art und jeden Alters. Wir kamen an vielen brennenden Dingen vorbei. Bäume und Pflanzen zogen die Flammen geradezu an, säumten die Straße wie Wegmarken aus grauer Vorzeit, und alle brannten, ergossen ihr Licht auf die verstreut daliegenden Leichen, durchbrachen das Dunkel.
Wir kamen an Einheimischen vorbei, den einsamen, in Hütten hausenden Greisen, sie stimmten Klagegesänge an, die sich in unseren Ohren wie eine nur für uns bestimmte Drohung anhörten. Daniel Murphys Leiche, hinten auf dem Karren liegend, reflektierte das orangerote Glühen, die einzigen Farben seiner dünnen, pergamentenen Haut waren die der Palette des flackernden Feuers. Die Schatten tanzten über seine bleiche Gestalt, was den Eindruck erweckte, als würde er sich bewegen, wäre mehr als nur eine Leinwand, auf der die Flammen sich selbst porträtierten.
Wir folgten dem Karren mit der Leiche bis zum Flussufer. Der Alte streichelte die Flanke des Maultiers, dann kam er zu uns nach hinten und wuchtete Murph von der Ladefläche. Sterling und ich ergriffen je ein Bein, und wir gingen die letzten paar Schritte bis zum Fluss und legten ihn in das Wasser. Die Strömung trieb ihn rasch davon, und hinter den Binsen, dort, wo eben noch seine Augen gewesen waren, bildeten sich kleine Strudel.
»Als wäre es nie passiert, Bartle. Das ist die einzige Möglichkeit«, sagte Sterling.
»Ja, ich weiß.« Ich sah zu Boden. Winzige Staubfahnen umwirbelten meine Stiefel. Ich wusste, was jetzt kam.
Sterling schoss dem greisen Stellmacher einmal mitten ins Gesicht. Der Mann brach sofort zusammen, konnte nicht einmal mehr Überraschung zeigen. Das Maultier begann wie aus alter Gewohnheit und ohne Aufforderung, den Karren zu ziehen, und die zwei Hunde folgten ihm in den anbrechenden Abend. Wir schauten wieder auf den Fluss. Murph war verschwunden.
Elf April 2009
Fort Knox, Kentucky
Dann brach in den satten Städten der USA wieder der Frühling an. Das Tauwetter setzte dem dunklen Winter ein Ende, sein nasskalter Hauch drang durch mein Fenster. Es war der siebte April des Krieges und zugleich der dritte und letzte
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