Die Sonnenposition (German Edition)
begegnet, aber ich fahre seitdem systematisch die nur unvollkommen geheimgehaltenen Strecken ab, die empfohlenen, hoch gehandelten Strecken, auf denen sie angeblich schon gesichtet wurden.
Erlkönige – man hätte einfach ein paar Wochen warten können und die Bilder wären ohnehin in allen Zeitschriften zu sehen gewesen. Mir aber ging es genau um diese paar Wochen, ich konnte durchaus nicht warten, und im übrigen war ein Zeitschriftenfoto, ein von einem anderen aufgenommenes Foto nicht im geringsten zu vergleichen mit einem eigenen. Ein eigenes Foto enthält die Konfrontation mit dem Objekt. Es ist von einem höheren Realitätsgrad, es verspricht bedeutend mehr Erkenntnisse, es kommt einer realen Ansicht nahe. Das Objekt zeigt sich ohnehin verhüllt; ein Foto läßt einiges von seinem wahren Aussehen erahnen, aber bei einer Konfrontation wäre man fähig, das Verdeckte, Unsichtbare, Getarnte intuitiv zu erfassen, man wäre imstande, durch die Äußerlichkeiten hindurchzusehen.
Erlkönigjäger. Wir suchten, erklärte ich Odilo, nach einer verborgenen Schönheit, einer Schönheit, die sich nicht sofort erschloß, für die man den Blick hatte schulen müssen, damit er die Verhüllungen, die albernen Abklebungen, die Karotarnungen durchdrang.
Ein exzentrisches Hobby, merkte Odilo zweiflerisch an.
Ich hatte damit gerechnet, daß Einwände kommen würden. Von Odilos Seite kamen stets Einwände, als läge es in seiner Natur, jede Initiative anderer, ihre unbefangene Herangehensweise, ihre optimistische Gutgläubigkeit, ihr Vertrauen in sich und die Welt zu untergraben.
Odilo pflegte selbstredend kein Hobby. Einer wie er wußte seine Interessen beruflich zu verwerten, er wußte aus dem, was ihn beschäftigte, klingende Münze zu schlagen. Er wünschte seine gesamte Tätigkeit dem größeren Nutzen zuzuführen. Ein Hobby war Zeitverschwendung, Selbstbetrug, ein Ausweichen vor dem Ernst des Lebens, die Verweigerung von Verantwortung.
Ich wußte nichts zu erwidern, aber natürlich mußte ich mich fragen, ob diese Fahrten in Wahrheit nicht zum Abschalten dienten, zum Ausweichen, eine Fluchtbewegung, als Suche getarnt, um für ein paar Stunden aus allem heraus zu sein.
Ein Hobby, sagte ich schließlich schlapp. Meinetwegen ein Hobby. Warum nicht.
Ich fuhr auf direktem Weg zum Nürburgring. An einer Forststraße stiegen wir aus, schlugen uns ein Stück querfeldein durch den Wald und wanderten dann lange am Zaun der Nordkurve entlang.
Ich steckte hier und da das Objektiv durch den Maschendraht. Ich vermeinte auch, Motorengeräusch zu hören, das sich näherte. Wir lauschten eine Weile, auch Odilo lauschteund verhielt sich reglos, das Geräusch schwoll an, streifte uns und verklang dann wieder, vermutlich war es von der Straße gekommen.
Die Tanzplätze der Elfen befinden sich, wie es heißt, an mild-feuchten Stätten, in Flußauen in der Nähe von Erlengebüschen, auf blumenbewachsenen Hügelgräbern, auf abgelegenen Wiesen bei Frühdunst. Der typische Aufenthaltsort des Erlkönigs entspricht diesem Schema des Feuchten vollkommen, nur ist das Liebliche ins männlich Markante gewendet, und er bevorzugt vereiste Seen, verregnete Wälder, vernebelte Steppen.
Methoden der Jagd. Wer die Gewohnheiten seiner Jagdbeute genau kennt, kann sich so plazieren, daß er die Beute an ihren üblichen Wechseln und Äsungsplätzen erwartet. Auf dem Ansitz harrt der Jäger aus. Das Wild wird in seinen Abläufen kaum gestört. Es erscheint dort, wo es immer erscheint. Man benötigt lediglich Geduld.
Von Vorteil ist es, einen höher gelegenen Standort zu wählen, um den Wegen des Wildes, da man ihm nicht nachschleicht, mit dem Auge folgen zu können. Unabdinglich ist es, einen Ort zu wählen, der mit den Vorlieben der Beute so übereinstimmt, daß diese ihn nicht nur aufsucht, sondern auch, aus Faulheit, aus Gewohnheit, aus Verzückung, in der Aufmerksamkeit nachläßt und nicht sofort flieht.
Die Pirschjagd hält man gemeinhin für die anspruchsvollste aller Jagdarten. Der Jäger bewegt sich allein durch das Gelände, ohne Hund. Er sollte durchtrainiert sein und über eine ausgezeichnete Körperbeherrschung verfügen, denn das wichtigste bei der Pirsch sind Lautlosigkeit und Unsichtbarkeit. Die Anpassungsfähigkeit des ausgezeichneten Jägers ist eine absolute. Er gleicht sich der Umgebung so vollständig an, daß er unbemerkt wie unter einer Tarnkappe vorankommt. Er paßtsich aber auch an das Wild an. Er muß dessen Wege vorausahnen,
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