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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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Lößboden wie Blei an meinen Sohlen. Hinter uns, auf der verwilderten Wiese an der Straße, mäanderten die Rohre der Pumpvorrichtungen.
    Tagebau, das Erzeugen von Leere bei Tag und bei Nacht. Am hellichten Tag, in erleuchteter Nacht, pausenlos wurde Erdgeschichte vernichtet. Die Grube erstreckte sich bis zum Horizont, und sie rückte in der Fläche bedrohlich vor. O daß mein Sinn ein Abgrund wär. Und meine Seel’ ein weites Meer. Daß ich dich möchte fassen.
    Unentwegt gruben die Bagger, erzeugten ein mahlendes Grundgeräusch, ein beständiges Flüstern, das auf das Flöz hinredete, sich in den schwarzen Block bohrte und ihm etwas einredete, dem Stein zusprach, ihn beschwor, daß er Brot werde, daß er es zulasse, sich zu verwandeln in das, was uns zukam, uns not tat, uns nützte, Herrschaft und Herrlichkeit.
    Odilo hatte sich neben mich gestellt, er starrte in das öde Loch, erst jetzt, nachdem ich für mich längst befunden hatte, es gebe hier gar nicht so viel zu sehen. Mir war schon etwas langweilig geworden. Es war eine künstliche Wüste, die sich als Testgelände, da war ich mir sicher, nicht eignete. Odilo hingegen schien plötzlich von Faszination ergriffen. Er blickte in die verschleierte Ferne, seine Augen glänzten feucht, ein Lächeln spielte um seine Lippen, das ich nicht deuten konnte, ein ironisches Lächeln, er lächelte immer so, als verspräche man ihm auf einen Augenblick alle Reiche der Welt und als gehöre es zu den Vorzügen seines Charakters, dem nicht zu widerstehen.
    Ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Der Wind wehte durch den Stoff meiner Jacke hindurch, und es kam mir vor, als wehe er durch meinen Körper, als sei ich nicht vorhanden. Ich steckte die Hände in die Taschen, zog sie wieder hervor, sah auf die Uhr.
    Odilo stand an der äußersten Kante der Böschung, dahinter ging es relativ steil bergab. Auch das beunruhigte mich. Er stand dem Loch zugewandt, leicht nach vorn gebeugt, die Arme leicht ausgebreitet, als käme es ihm nicht in den Sinn, daß auf dem unebenen Untergrund die Gefahr bestand, zu stolpern und zu fallen, vielmehr als sei er bereit und imstande, gleich abzuheben. Über den Abraum zu segeln, über die Erden und Maschinen hinweg, ein Großgrundbesitzer, der seinen Fuhrpark prüft.
    Ich warte im Auto, sagte ich entnervt.
    Odilo atmete ein. Wandte den Blick nicht vom Flöz. Gerne, befand er. Er komme gleich nach.
    Ich saß erst kurze Zeit im Wagen, als ich ihn die Böschung umständlich heruntersteigen sah. Meiner alten Gewohnheit der Unterwürfigkeit folgend, stieg ich aus und hielt ihm den Wagenschlag auf.
    Gigantisch, urteilte er knapp. Er sei froh, das Gelände gesehen zu haben. Eindrucksvoll. Eine Bewußtseinserweiterung.
    Nicht weit vom Tagebau entfernt fuhren wir durch ein leeres Dorf. Sehr saubere Straßen und Gehwege, eine Backsteinkirche, eine besprühte Bushaltestelle, kein Mensch zu sehen. Ich hielt vor der einzigen Restauration. Ein grüngelber Schriftzug Pizza leuchtete über einem vorspringenden Schaufenster. Braune Samtvorhänge faßten dieses Fenster theatralisch ein. Zwischen den gerafften Bordüren präsentierten sich zwei ausgestopfte Auerhähne. Auerhähne!
    Begeistert wies ich mit dem Zündschlüssel auf die Lokalität, schon einen Fuß auf der Straße. Odilo saß noch angeschnallt und begriff erst allmählich, daß wir hier, genau hier etwas essen gehen würden, in einer zünftigen Dorfwirtschaft, nach einem langen erfolglosen Tag.
    Wir überquerten die Straße, unsere Schritte klangen hohl. In den alten rheinischen Dörfern drängen sich die Häuser eng zusammen, die Gehwege sind so schmal, daß man kaum auf ihnen balancieren kann, die Hausmauern erheben sich direkt an der Straße. Keine Pflanzen, keine Vorgärten, kein Schmutz auf der Schauseite, nur hier und da ein Geranienkübel.
    Wir saßen beim Fenster, direkt neben mir hing einer der theatralischen Vorhänge, und wenn ich mich zur Seite lehnte, konnte ich den staubigen Samt an meiner Wange spüren, paradiesisch weich, wie es dem Staub eigen ist. Ich hätte den Wunsch gehabt, in einem Bett aus reinem Staub zu schlafen.
    Im Hintergrund murmelten die Einwohner des Ortes, auch dies wirkte einschläfernd auf mich, wenn auch nicht beruhigend, und als ich mich für einen Moment diesem hypnotischen Murmeln hingab, von ihm fortgetragen werden wollte, schrak ich hoch von dem dumpfen Laut, mit dem unser Essen kam.
    Vorsuppe, ich Erbsen-, er Spargelcreme-. Mir ein Fläschchen Maggi auf

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