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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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Charme. Es konnte eine beliebige Schule sein. Ob mein Großvater hier ein- und ausgegangen war, ließ mich erschreckend kalt. Der Anstrich war scheußlich, und ich wußte, daß er auch Tante Sidonia nicht gefiel. Lieber wäre mir gewesen, wir hätten die Schule gar nicht erst aufgesucht.
    Da ist doch nichts, sagte meine Schwester am Abend in der Gaststätte, wo wir inmitten der Reisegruppe aufgerollte Pfannkuchen mit Pilzfüllung aßen, da ist doch nichts mehr. Oder dort ist nie etwas gewesen. Man könne genausogut bei uns den Bahndamm betrachten, da fehle nur der Maulbeerbaum, aber ansonsten sehe man doch keinen Unterschied.
    Wir hatten uns aus diesen Bildern neu zusammensetzen wollen; mit den Bildern eines alten Hauses, eines Gartens, einer Familienumgebung die Vision einer Zukunft grundlegen, hatten eine Vergangenheit herstellen wollen, die uns dabei hätte helfen können, Ziele zu verfolgen; statt dessen erloschen die Vorstellungen, die wir uns bereits gemacht hatten, sie wurden überdeckt von einer endlos langen Busfahrt, wir fuhren über Landstraßen mit einsamen Tankstellen, Straßen mit Floristenständen am Rand, die aus einem Eimer voll Feld- und Gartenblumen bestanden, wir parkten auf geschotterten Brachflächen, wir sahen Störche, Porzellanköpfe an den Strommasten, Schwalben, aber stets nur durch eine schmierige Scheibe, undwenn wir ausstiegen, verschwanden die Scheiben nicht. Der Himmel blieb bedeckt, die Luft blieb faules Blumenwasser, unser Handeln blieb dem anderen jeweils verdächtig.
    Ich stieg aus dem Reisebus und sah ein ganzes Stück vor mir meine Schwester gehen. Meine Schwester ging wie eine große Staubflocke, die sich äußerst gemessen bewegt, damit sie die Fülle nicht verliert, das luftig Aufgebauschte, das mottengrau Elegante.
    Sie trödelte vor sich hin, trödelte den holprigen Bürgersteig entlang, aber bevor ich sie eingeholt hatte, zwängte sie sich in ein Gebäude, das etwas zurück lag und mit einem rudimentären Bauzaun gesichert war.
    Mila betrat durch ein schlecht vernageltes, bodentiefes Fenster einen ausgeschlachteten Lebensmittelladen. Ich sah sie in den Laden einsteigen, eilte hinter ihr her, aber die Lücke war etwas eng für mich, und so wartete ich vor der Öffnung, stand möglichst unauffällig neben den schiefen Brettern stramm, ohne den Innenraum aus den Augen zu lassen. Der Linoleumbelag, überall aufgerissen, zackte hoch wie eine zerfetzte Wiese. Die Klappe des Kachelofens hing nur noch an einer Angel. Leitungen senkten sich, Stalaktiten, aus dem Deckengebälk. Die komplette Einrichtung war ausgeräumt, aber weit oben an den Wänden klebten noch animierende Bilder von früher, auf Servierplatten fotografierte Vorspeisen, aufgeschnittene Bratenscheiben, eine Backform mit Kuchenzutaten. Ein stilisierter Schneekristall auf eisblauem Grund bildete einen Teller für Tiefkühlgemüse, schön dekorierte Eiersalate ruhten in goldgerandeten Schalen; Serviervorschläge für Waren, die man womöglich nicht immer im Geschäft vorrätig hatte und deren generelles Vorkommen sich so beweisen ließ. Diese Nicht-Reklamen zogen unter der Decke einen Fries, immer wieder unterbrochen von lustigen Figuren, einem Bäcker, einer Köchin,die die Arme in die Seite stemmte. Eiskristalle, auf Plastikfolien gedruckt, vervielfältigten sich zu einem Kachelmuster, einem abwaschbaren Tapetenstück. Mila trat über knirschende Putzbrösel, löste eine solche Frostflocke ab, versenkte sie in ihrer Tasche.
    Ich räusperte mich, meine Schwester fuhr herum, bleich, und als sie mich sah, verzog sie den Mund.
    Wir machen uns hier unmöglich, sagte ich trotzdem, ich sagte es nur vor mich hin, ich murmelte es in mich hinein, und Mila schoß auf ihrem Rückweg Stücke von dem Bodengeröll über die Zackenwiese, sie schoß ohne Spannkraft, doch das Rumpeln und Rutschen übertönte mich.
    Ist Labilität eigentlich ein Vorzug? fragte ich mich laut, fragte ich sie, aber Mila kletterte nur stumm auf die Straße zurück.
    Am nächsten Tag begleitete ich Tante Sidonia inmitten der anderen Heimwehtouristen auf die Schneekoppe, während meine Schwester auf dem Hotelbalkon saß, der auf den Marktplatz ging, eine polnische Modezeitschrift durchblätterte, sich die Nägel mit polnischem Nagellack bestrich.
    Als wir zurückkamen, saß sie immer noch im eisernen Korb des Balkongitters, neben sich ein Glas, das zu einem Drittel mit Kaffeesatz gefüllt war, und sie war dabei, einen Kleiderbügel aus dem Hotelzimmer zu

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