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Die souveraene Leserin

Die souveraene Leserin

Titel: Die souveraene Leserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bennett
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anderen, und als Sir Kevin am nächsten Morgen in sein Büro kam, fand er seinen Schreibtisch bereits geräumt. Auch wenn Normans Universitätsstudium sich als vorteilhaft erwiesen hatte, so wurde Ihre Majestät doch nicht gerne hintergangen, und auch wenn der Berater des Premierministers der wahre Schuldige war, traf Sir Kevin doch die Strafe. Früher einmal hätte sein Weg zum Schafott geführt; heutzutage bekam er nur ein Flugticket nach Neuseeland, wo er zum Hochkommissar ernannt wurde. Auch ein Schafott, nur dauerte es etwas länger.

    Zu ihrer eigenen leichten Überraschung wurde die Queen achtzig. So ein Geburtstag verstrich natürlich nicht unbemerkt, und verschiedene Feierlichkeiten wurden arrangiert, manche mehr zu Ihrer Majestät Gefallen, manche weniger. Ihre Berater sahen den Geburtstag vor allem als eine weitere Möglichkeit, die Monarchie bei der stets launischen Bevölkerung beliebter zu machen.
    So war es nicht besonders überraschend, dass auch die Queen selbst eine Feier geben und dazu all jene versammeln wollte, die ihr im Laufe der Jahrzehnte als Berater gedient hatten. Es war also praktisch eine Feierstunde des Kronrates, zu dessen Mitglied man auf Lebenszeit ernannt wurde, wodurch er sich zu einer umfänglichen und schwer zu handhabenden Körperschaft ausgewachsen hatte, die selten in voller Runde zusammenkam, und dann nur zu bedeutsamen Anlässen. Aber nichts sprach dagegen, dachte die Queen, sie alle zum Tee einzuladen, und zwar zu einem richtigen Tee, mit Schinken, Zunge, Senf und Kresse auf den Sandwiches, mit Scones, mit Kuchen und sogar mit Trifle. Viel besser als ein Abendessen, fand sie, und gemütlicher.
    Niemand war um Abendgarderobe ersucht worden, auch wenn Ihre Majestät so makellos gepflegt erschien wie in alten Tagen. Aber wie viel Rat sie im Lauf der Jahre erhalten hatte, dachte sie, als sie den Blick über die versammelte Menge schweifen ließ; so viele hatten ihn erteilt, dass nur einer der größten und prächtigsten Säle des Palastes sie alle beherbergen konnte und die üppigen Leckereien zum Tee in den angrenzenden Salons angerichtet wurden. Sie schlenderte fröhlich zwischen ihren Gästen umher, ohne Unterstützung eines anderen Mitglieds der königlichen Familie, von denen zwar auch etliche zum Kronrat gehörten, die aber nicht eingeladen waren. »Ich sehe auch so genug von ihnen«, sagte sie, »wohingegen ich Sie alle nie zu sehen bekomme, und auch Sie – abgesehen von meinem Tod – kaum Gelegenheit haben werden, einander alle zu sehen. Probieren Sie unbedingt das Trifle. Es ist sündhaft gut.« Selten war sie so vortrefflicher Laune gewesen.
    Die Aussicht auf einen anständigen Tee hatte die Höchst Ehrenwerten Kronräte in weit größerer Anzahl zum Kommen bewegt, als man erwartet hatte: Dinner wäre eine Pflichtübung gewesen, Tee jedoch war ein Vergnügen. Die Versammlung war so groß, dass zu wenig Stühle zur Verfügung standen und die Dienerschaft hastig hin und her eilte, bis alle Sitzgelegenheiten hatten, doch auch das gehörte zum Amüsement. Viele saßen auf den üblichen vergoldeten Feststühlen, aber einige fanden sich auch auf einer unbezahlbaren Louis-Quinze-Bergère oder einem Holzstuhl mit eingebranntem Monogramm vom Korridor wieder, und ein ehemaliger Lordkanzler saß gar auf einem kleinen Hocker mit Korksitz, den man aus einem der Badezimmer herbeigeschafft hatte.
    Die Queen überwachte das Treiben in aller Ruhe, zwar nicht gerade vom Thron aus, aber immerhin aus dem größten Fauteuil aller Anwesenden. Sie hatte ihre Tasse Tee mitgebracht, nippte daran und plauderte, bis es sich auch der letzte Gast bequem gemacht hatte.
    »Ich weiß ja, dass ich all die Jahre gut beraten wurde, doch war mir nicht klar, von wie vielen. Was für ein Auflauf!«
    »Vielleicht, Ma’am, sollten wir alle gemeinsam ›Happy Birthday‹ singen!«, sagte der Premierminister, der natürlich in der ersten Reihe saß.
    »Wir wollen nicht gleich überschwänglich werden«, sagte Ihre Majestät. »Es stimmt zwar, dass ich achtzig geworden bin und dies so eine Art Geburtstagsfeier ist. Aber was es zu feiern gibt, weiß man nicht so genau. Das Gute daran ist immerhin, nun ein Alter erreicht zu haben, in dem sich sterben lässt, ohne dass die Menschen allzu schockiert sein müssten.«
    Darüber wurde höflich gelacht, und auch die Queen selbst lächelte. »Ich glaube«, sagte sie, »an dieser Stelle wäre der Ruf ›nein, nein‹ angebrachter.«
    Jemand tat ihr den Gefallen, es

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