Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
offene Vegetation ihres Lebensraums bildeten die frühen vormenschlichen Primaten ein größeres Gehirn aus. Aus demselben Grund wurden sie allmählich stärker vom Seh- und weniger vom Geruchssinn abhängig als die meisten anderen Säugetiere. Sie erwarben große Augen mit Farbsicht, die vorn auf dem Kopf saßen und das stereoskopische Sehen und eine bessere Tiefenwahrnehmung ermöglichten. Beim Gehen bewegten vormenschliche Primaten die Hinterbeine nicht parallel nach hinten; stattdessen wechselten sich die Beine beinahe auf einer einzigen Linie ab, indem sich ein Fuß vor den anderen setzte. Auch hatten sie weniger Nachwuchs, der für seine Entwicklung mehr Zeit brauchte.
3.3 Ein Schimpanse auf einem Termitenbau in dem Lebensraum, in dem die Prähumanen aufkamen. Sie verwenden hier auch einfachste Werkzeuge.
Als eine Linie dieser seltsamen auf Bäumen lebenden Geschöpfe im Lauf ihrer Evolution anfing, auf dem Boden zu leben – dazu kam es in Afrika –, war es zur nächsten Präadaption gekommen; eine weitere glückliche Kehre im Labyrinth der Evolution war genommen. Die Zweifüßigkeit war erreicht, die Hände damit frei für andere Zwecke. Die beiden noch lebenden Schimpansenarten, der gemeine Schimpanse und der Bonobo, die stammesgeschichtlich nächsten Verwandten des Menschen, gingen in dieser Richtung etwa zur selben Zeit auch sehr weit. Wenn sie auf dem Boden sind, heben sie heute auch häufig die Arme und laufen oder gehen auf den Hinterbeinen. Sogar primitive Werkzeuge können sie herstellen.
Nach ihrer Trennung von der Abstammungslinie Pan (Schimpansen) trieben die Vormenschen, die sich jetzt als eine Gruppe von Arten, die sogenannten Australopithecina, abgrenzten, die Tendenz zum aufrechten Gang sehr viel weiter. Ihr gesamter Körper wurde dementsprechend neu strukturiert. Die Beine wurden länger und gerade, die Füße gestreckt, so dass sich bei der Fortbewegung eine Abrollbewegung ergab. Das Becken wurde zu einer flachen Schale, die die Eingeweide tragen konnte, da diese jetzt nicht mehr wie bei den Affen unter dem waagerechten Körper hingen, sondern auf den Beinen lasteten.
Die Revolution der Zweifüßigkeit war höchstwahrscheinlich ausschlaggebend für den durchschlagenden Erfolg der Australopithecina-Vormenschen – so zumindest lässt sich an der Vielfalt ermessen, die sie in Körperform, Kiefermuskulatur und Gebissstruktur erreichten. Eine Zeitlang, vor etwa zwei Millionen Jahren, lebten auf dem afrikanischen Kontinent gleichzeitig mindestens drei Australopithecina-Arten. Mit ihren Körperproportionen, der aufrechten Haltung, dem wendigen Kopf ganz oben und den langen hinteren Gliedmaßen, auf denen sie laufen und hüpfen konnten, dürften sie aus einiger Entfernung wie der moderne Mensch gewirkt haben. Fast sicher bewegten sie sich in kleinen Gruppen, so wie heutige Jäger und Sammler. Ihr Gehirn war nicht größer als das von Schimpansen, doch aus genau diesem Gefüge sollte sich am Ende die früheste Art des ersten Homo entwickeln. In der Evolution bedeutet Vielfalt Opportunität, merkten die Australopithecina.
Die alten Australopithecina und die Arten, die von ihnen abstammen und die Gattung Homo bilden, lebten in einer Umwelt, die den aufrechten Gang förderte. Sie praktizierten nie den Knöchelgang wie die Schimpansen und andere heutige Menschenaffen, bei denen die Hände zu Fäusten gerollt sind und als Vorderbeine dienen.[ 4 ] So wie die neuen Australopithecina mit seitlich schwingenden Armen zu gehen, verlieh bei minimalem Energieaufwand Geschwindigkeit, obwohl es außer Rücken- und Knieproblemen noch ein zunehmendes Risiko aufwarf, weil der immer schwerer werdende kugelrunde Kopf auf einem zierlichen, senkrechten Genick im Gleichgewicht gehalten werden musste.
3.4 Ardipithecus ramidus , nach Fossilienfunden westlich des Flusses Awash in Äthiopien, ist mit 4,4 Millionen Jahren der älteste bekannte zweibeinige Vorfahre des modernen Menschen. Er ging auf langen Hinterbeinen, hatte aber noch lange Arme, die sich für das Leben auf Bäumen eignete.
Für Primaten, deren Körper ursprünglich für ein Leben auf den Bäumen gemacht war, konnten Zweibeiner schnell laufen. Aber mit den vierbeinigen Tieren, auf die sie Jagd machten, konnten sie nicht mithalten. Antilopen, Zebras, Strauße und andere Tiere ließen ihnen schon über kurze Entfernungen keine Chance. Millionen Jahre der Verfolgung durch Löwen und andere fleischfressende Athleten hatten diese Beutetiere zu
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