Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
Vom Netzwerk:
Sprintweltmeistern gemacht. Doch wenn die frühesten Menschen solche olympischen Tiere schon nicht im Kurzstreckenlauf besiegen konnten, so übertrafen sie sie doch immerhin im Marathon. Der Mensch wurde so gewissermaßen zum Langstreckenläufer. Er musste nur eine Hatz beginnen und der Beute Kilometer um Kilometer nachsetzen, bis sie erschöpft war und überwältigt werden konnte. Der vormenschliche Körper, der sich bei jedem Schritt vom Fußballen abdrückte und einen gleichmäßigen Schritt durchhielt, entwickelte eine hohe aerobe Ausdauer. Mit der Zeit warf der Körper auch seine Behaarung ab, außer auf dem Kopf, an der Scham und unter den Pheromone freisetzenden Armbeugen. Dazu kamen überall Schweißdrüsen, die eine wirkungsvolle rasche Kühlung der unbehaarten Körperoberfläche erlaubten.[ 5 ]
    In seinem Buch Laufen. Geschichte einer Leidenschaft behandelt der angesehene Biologe und rekordhaltende Ultramarathon-Läufer Bernd Heinrich ausführlich das Thema Marathon. Er zitiert Shawn Found, den US-Meister über 25 Kilometer, um die Urfreude am Langstreckenlauf zum Ausdruck zu bringen: «Wenn du läufst, erwacht der Jäger in dir. Laufen, das heißt, 50 Kilometer hinter einer Beute herzujagen, die dir auf kurze Strecken hoffnungslos überlegen ist, sie zur Strecke zu bringen und in dein Dorf zu schleppen, für das sie neues Leben bedeutet. Das ist eine schöne Sache.»[ 6 ]
    Unterdessen bildeten sich die vorderen Gliedmaßen des Menschen so um, dass sie im Umgang mit Gegenständen flexibler wurden. Besonders beim Mann vermochte der Arm sehr hohe Wurfleistungen zu erzielen – zunächst wurden Steine geworfen, später auch Speere: Damit konnte der Vormensch erstmals aus der Entfernung töten. Diese Fähigkeit muss ihm im Konflikt mit anderen, weniger gut ausgerüsteten Gruppen einen enormen Vorteil verschafft haben.[ 7 ]
    Mindestens eine Population des heutigen gemeinen Schimpansen hat die Fähigkeit entwickelt, Steine zu werfen. Das Verhalten tritt als kulturelle Innovation auf, die vielleicht von einem einzigen Individuum ausging. Es ist aber undenkbar, dass ein Schimpanse je mit einem modernen menschlichen Athleten mit halten könnte. Keiner kann einen Steinbrocken mit 140 km/h schleudern oder einen Speer fast über ein ganzes Fußballfeld. Und selbst mit Training könnte kein Schimpansenjunges einen Gegenstand so geschickt werfen wie ein Menschenkind. Frühe Menschen hatten die angeborene Ausstattung – und wahrscheinlich auch die Neigung –, beim Fangen von Beutetieren und bei der Abwehr von Feinden Wurfgeschosse zu verwenden. Die dadurch gewonnenen Vorteile waren mit Sicherheit entscheidend. Speer- und Bogenspitzen gehören zu den ältesten Artefakten, die bei archäologischen Ausgrabungen gefunden werden.

    3.5 Das Jagen war eine hochadaptive – und gefährliche – Leistung der menschlichen Vorgeschichte. Die Abbildung im Kasten (Ausschnitt der altsteinzeitlichen Felsmalereien in Lascaux) zeigt einen an den Einge weiden getroffenen Bison beim Angriff auf einen gestürzten Jäger. Ein Rabe, als Aasfresser im Gefolge von Jägern, ist in der Nähe.
    Die Umwelt, in der sich das vormenschliche Epos entfaltet, war ideal für das Aufkommen der ersten Zweifüßer und ihrer Marathon laufenden Abkömmlinge. Als die entscheidenden Evolutionsschritte stattfanden, herrschte in einem Großteil Afrikas südlich der Sahara Trockenheit, in der die Regenwälder zum Äquatorgürtel hin zurückwichen und im Norden zu verstreuten lokalen Beständen schrumpften. Große Teile des Kontinents waren von Savannenwald bedeckt, dazwischen Trockenwald und Grasland. Auf Beutezug im offenen Gelände konnten der Vormensch und der Homo stehend über die niedrige Vegetation hinwegspähen, um nach Beute Ausschau zu halten, aber auch nach Raubtieren, die ihnen selbst nachsetzten. Im Fall einer Bedrohung konnten sie zu den schützenden nahen Bäumen laufen. Akazien und andere vorherrschende Bäume waren relativ klein, und die Kronen bestanden aus Ästen, die weit zum Boden herabreichten und leicht zu erklettern waren – das alles zum Vorteil der Zweifüßer. Die Umweltstruktur ist sehr vergleichbar mit der, die in Serengeti, Amboseli, Gorongosa und den anderen großen ostafrikanischen Parks noch heute vorherrscht. Poeten und Touristen fühlen sich in dieser Landschaft gleichermaßen wohl, weit mehr als in anderen Lebensräumen des subsaharischen Afrikas. Sie werden dabei, wie ich später erklären werde, wahrscheinlich von einem

Weitere Kostenlose Bücher