Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Bürgerkriege, Aufstände und staatlich geförderter Terrorismus gehen aber unvermindert weiter. Insgesamt sind die großen Weltkriege kleinen Kriegen gewichen, deren Ablauf und Umfang eher typisch für die Gesellschaften der Jäger und Sammler und der primitiven Ackerbauern sind. Die zivilisierten Gesellschaften haben Folter, Hinrichtung und die Ermordung von Zivilisten abzuschaffen versucht, aber die Gesellschaften, die kleine Kriege führen, halten sich nicht daran.
8.1 Für die Maya war Krieg eine normale Lebensform, wie die Wandgemälde von etwa 800 v. Chr. in Bonampak, Mexiko, illustrieren.
An archäologischen Ausgrabungsstätten finden sich vielfältige Beweise für Konflikte zwischen Bevölkerungen.[ 30 ] Ein Großteil der beeindruckendsten Bauwerke der Geschichte dienten Verteidigungszwecken, etwa die Chinesische Mauer, der Hadrianswall in England, die großartigen Burgen und Festungen in Europa und Japan, die Felsbehausungen der Anasazi-Stämme im Südwesten der USA, die Stadtmauern von Jerusalem und Konstantinopel. Selbst die Akropolis war ursprünglich eine ummauerte Festungsstadt.
8.2 Die Yanomamo sind einer der letzten indigenen Volksstämme Südamerikas mit einer Bevölkerung von 10.000 Personen, die auf etwa 200 bis 250 streng unabhängige Dörfer verteilt leben. Überfälle auf Nachbardörfer sind verbreitet. Hier stellen sie sich am Vorabend eines Aufbruchs zu einem derartigen Überfall in Reihen auf, ihre Gesichter und Körper sind mit zerkauter Holzkohle bemalt.
Hinweise auf Massaker sind für Archäologen nichts Außergewöhnliches. Unter den Werkzeugen aus der frühen Jungsteinzeit finden sich Geräte, die eindeutig zum Kämpfen gemacht sind. Der Mann aus dem Eis oder Ötzi, der 1991 in den Ötztaler Alpen als gefrorene Mumie entdeckt und dessen Alter auf über 5000 Jahre bestimmt wurde, starb an der Verletzung durch eine Pfeilspitze, die in seiner Schulter gefunden wurde. Er trug einen Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und einen Dolch aus Feuerstein, wahrscheinlich zum Jagen und Häuten von Wild. Zudem besaß er aber ein Beil mit Kupferblatt, das keine Spuren einer Verwendung durch einen Waldbewohner zeigt, der Holz und Knochen hätte bearbeiten müssen. Wahrscheinlich war es eher ein Kriegsbeil.
Häufig hört man, die wenigen überlebenden Gesellschaften von Jägern und Sammlern – am bekanntesten sind die San im südlichen Afrika und die australischen Aborigines –, die in ihrer sozialen Organisation unseren Vorfahren ähneln, führten keine Kriege und bezeugten daher, wie spät in der Geschichte der gewaltsame Massenkonflikt aufkam. Die genannten Stämme wurden aber von den europäischen Kolonisten marginalisiert und dezimiert, im Fall der San zudem von den früheren Zulu- und Herero-Invasoren. Zuvor lebten die San in größeren Populationen und in sehr viel weitläufigeren und produktiveren Lebensräumen als dem Gestrüpp- und Wüstenland, das sie heute bewohnen. Und auch sie führten Stammeskriege. Felsmalereien und die Berichte früher europäischer Forscher und Siedler belegen offene Schlachten zwischen bewaffneten Gruppen. Als die Herero zu Beginn des 19. Jahrhunderts in das Gebiet der San einfielen, wurden sie zunächst von deren Kriegstruppen zurückgedrängt.
Man könnte meinen, der Einfluss der friedliebenden östlichen Religionen, besonders des Buddhismus, würde sich konsequent gegen Gewalt richten. Doch dem ist nicht so. Wo immer der Buddhismus sich durchsetzte und zur offiziellen Ideologie wurde, sei es der Theravada-Buddhismus in Südostasien oder der tantrische Buddhismus in Ostasien und Tibet, wurde der Krieg toleriert und als Teil der religiös motivierten Staatspolitik sogar gefördert. Die Begründung ist einfach und existiert genauso im Christentum: Frieden, Gewaltlosigkeit und Brüderlichkeit sind zentrale Werte, aber eine Bedrohung buddhistischer Gesetze und Kulturen ist ein Übel, das abgewehrt werden muss. Das hieß: «Tötet sie alle, und Buddha wird die Seinen aufnehmen.»
Im sechsten Jahrhundert machten sich chinesische Rebellen unter der buddhistischen Parole «Großes Fahrzeug» (Mahayana) daran, alle «Dämonen» der Welt auszutreiben – angefangen mit den buddhistischen Würdenträgern. In Japan wurde der Buddhismus zum Instrument der Feudalkämpfe umgebildet, was zum Aufkommen der «Kriegermönche» führte. Erst Ende des 16. Jahrhunderts konnte die zentrale Militärregierung die mächtigen Klöster niederringen. Nach der Meiji-Restauration im
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