Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Jahr 1868 wurde der japanische Buddhismus Teil der nationalen «spirituellen Mobilisierung».[ 31 ]
8.3 Das Töten von Menschen durch Speere, meist mehrere an der Zahl, wird in verschiedenen europäischen Höhlen auf steinzeitlichen Malereien dargestellt. Die beigebrachten tödlichen Verwundungen könnten auf Mord oder Hinrichtungen deuten, wahrscheinlicher stellen die Zeichnungen (nach Meinung des Autors) aber von Kriegsparteien niedergerungene einzelne Gegner dar.
Und wie verhält es sich mit der prähistorischen Zeit? Ist die Kriegslust vielleicht eine Folge der Verbreitung von Landwirtschaft und Sesshaftigkeit sowie der steigenden Bevölkerungsdichte? Das war ganz offensichtlich nicht der Fall. In Gräberfeldern von Jägern und Sammlern der Jung- und Mittelsteinzeit im Niltal und in Bayern finden sich Massengräber offenbar ganzer Clans. Viele von ihnen sind gewaltsam durch Knüppel, Speer oder Pfeilschüsse getötet worden. Von der Jungsteinzeit angefangen vor 40.000 bis vor etwa 12.000 Jahren belegen zerstreute Knochenfunde häufig, dass Menschen an Hieben auf den Kopf umgekommen sind, Knochen weisen häufig Schnittkerben auf. Wir reden hier von der Zeit der berühmten Höhlenmalereien von Lascaux und andernorts, die gelegentlich darstellen, wie Menschen vom Speer getroffen werden oder bereits tot oder sterbend am Boden liegen.
Wie weit die Verbreitung gewaltsamer Gruppenkonflikte zurück in die Geschichte des Menschen reicht, lässt sich auch noch anders überprüfen. Archäologen haben errechnet, dass mit der Auswanderung von Populationen des Homo sapiens aus Afrika vor etwa 60.000 Jahren die erste Welle bis nach Neuguinea und Australien vordrang. Die Nachkommen dieser Pioniere blieben in diesen abgelegenen Gegenden Jäger und Sammler oder ganz primitive Ackerbauern, bis die Europäer zu ihnen vordrangen. Noch lebende Populationen ähnlich früher Abkunft und mit vergleichbar archaischen Kulturen sind die Ureinwohner der Insel Little Andaman vor der Ostküste Indiens, die Mbuti-Pygmäen in Zentralafrika und die !Kung-San im südlichen Afrika. Alle weisen heute oder in historisch erinnerbarer Vergangenheit aggressives Territorialverhalten auf.
Tabelle 8.1 Archäologische und ethnographische Befunde über den Anteil der Erwachsenensterblichkeit, die auf Kriegseinwirkung zurückzuführen ist. «Vor heute» in der mittleren Spalte bedeutet «vor 2008».
Fundort
Ungefähre Datierung der archäologischen Befunde (Jahre vor heute)
Anteil der Erwachsenensterblichkeit durch Kriegseinwirkung (in Prozent)
British Columbia (30 Fundorte)
5500–334
23
Nubien (Fundort 117)
14.000–12.000
46
Nubien (Nähe Fundort 117)
14.000–12.000
3
Vasilivka III, Ukraine
11.000
21
Voloske, Ukraine
«epipaläolithisch»
22
Südkalifornien (28 Fundorte)
5500–628
6
Zentralkalifornien
3500–500
5
Schweden (Skateholm 1)
6100
7
Zentralkalifornien
2415–1773
8
Sarai Nahar Rai, Nordindien
3140–2854
30
Zentralkalifornien (2 Fundorte)
2240–238
4
Gobero, Niger
16.000–8200
0
Calumnata, Algerien
8300–7300
4
Ile Téviec, Frankreich
6600
12
Bogebakken, Dänemark
6300–5800
12
Population, Region
Ethnographische Befunde (Datierung)
Anteil der Erwachsenensterblichkeit durch Kriegseinwirkung (in Prozent)
Ache, Ost-Paraguay 1
Prä-Kontakt-Zeit (1970)
30
Hiwi, Venezuela-Kolumbien 1
Prä-Kontakt-Zeit (1960)
17
Murgin, Nordost-Australien 1 , 2
1910–1930
21
Ayoreo, Bolivien-Paraguay 3
1920–1979
15
Tiwi, Nordaustralien 4
1893–1903
10
Modoc, Nordkalifornien
«Ureinwohner-Zeit»
13
Casiguran Agta, Philippinen 5
1936–1950
5
Anbara, Nordaustralien 1 , 2 , 5
1950–1960
4
1 Jäger und Sammler; 2 Meeresnahrung; 3 saisonale Jäger und Sammler bzw. Ackerbauer; 4 sesshafte Jäger und Sammler; 5 seit kurzem sesshaft
Zu dem sehr kleinen Anteil der Tausenden weltweit von Anthropologen untersuchten Kulturen, die als «friedfertig» gelten, gehören die Copper- und Ingalik-Inuit, die Gebusi auf Neuguinea, die Semang auf der malaiischen Halbinsel, die Sirionó in Amazonien, die Yámana auf Feuerland, die Warao im östlichen Venezuela und die Ureinwohner der tasmanischen Westküste. Zumindest bei einigen von ihnen gibt es aber eine hohe Häufigkeit von Tötungsdelikten. Bei den Gebusi auf Neuguinea und den Copper-Inuit war ein Drittel aller Todesfälle bei Erwachsenen auf Totschlag zurückzuführen. «Das könnte sich durch die Tatsache erklären», schrieben die Anthropologen Steven A. Le-Blanc und Katherine E. Register, «dass in kleinen
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