Die Spiele des Computer-Killers
den, bis die Lunchgäste nach und nach weniger wurden. Draußen war es immer noch heiß, aber der Tisch, an dem ich hatte sitzen wollen, stand im Schatten. Zwei Leute saßen dort und lachten miteinander. Er war nett, sie war nett. Alle waren nett, so nett, daß ich am liebsten geheult hätte. David stellte seine winzige leere Espressotasse auf die dicke Porzellanuntertasse.
»Ich weiß, was dir gefällt«, sagte er leise.
»Was dir gefällt, meinst du wohl.«
»Ich weiß, was dir gefällt.«
»Du gefällst mir nicht.«
Er schob mir die Adresse des Hotels, das er ausgesucht hatte, über den Tisch herüber. Ich nahm sie, faltete das Papier aber nicht auseinander.
»Ich werde nicht kommen«, sagte ich und schaute auf das Papier. Mir war, als hätte eine Strömung meine Beine erfaßt. Es war schwer, mit ihm zu spielen. Es mußte echt sein, aber wenn es echt wäre, würde ich untergehen. Ich hob den Kopf, um ihm in die Augen zu schauen. Er sah jung aus für achtunddreißig, glattgesichtig und blond. Seine Augen waren wie der Himmel, blau und, jawohl, mich ganz umfassend. O Mann, dieser Blick. Bei jedem anderen hätte er Herzen und Blumen bedeutet, Wein und Dinners, lange Küsse, Diamanten und Gold und dann: Komm, lebe mit mir und sei meine Liebe.
Bei ihm war es Dunkelheit und Furcht, schwindelerregend hohe Wände und luftlose Ecken, Streichholz, Treibholz, Schilf und Wolfsmond.
»Deine Knochen sind so schön, daß ich sie zerbrechen könnte«, sagte er.
»Warum nimmst du nicht lieber das hier?« erwiderte ich und reichte ihm eine abgebrochene, butterbestrichene Brotstange.
Natürlich kam ich. Das Zimmer in Victoria war nicht wie die anderen. Es war in einem dieser großen, traurigen Häuser an einem Platz, wo man sich vorstellen konnte, wie eine Kutsche mit einer gutgekleideten Familie anhielt, Mama, Papa und entzückend herausgeputzte Kinder. Das Haus mit seinen cremefarbenen Säulen und der Marmortreppe war erst kürzlich zum Dienst gepreßt worden. Der Portier im halbdunklen Foyer gab mir einen Schlüssel mit einer Nummer, und ich ging die Treppe hinauf und kam in einen engen, muffigen Korridor und zu einer hastig angestrichenen Gipsplattentür. Dahinter lag ein Einzelzimmer. Die langen gelblichen Vorhänge waren zugezogen. Der größte Teil des Raumes wurde von einem schmalen, plumpen Bett, einem eckigen weißen Waschbecken und einem braun furnierten Kleiderschrank ausgefüllt. Ich wischte mir die feuchten Handflächen an meinem Kleid ab. Ich hatte keinen Plan, keinen Grund, zu kommen; ich handelte zwanghaft. Ich schaute die Wände und erwartete Spinnen, aber es waren keine da. Ich erschrak, als es klopfte, als stieße ein hölzerner Schrubber irgendwo gegen eine Fußleiste. Es war kühl im Zimmer und still bis auf das Summen der Autos unten auf der Straße. Mäuschenstill stand ich in der kalten Lufthöhle und wartete auf ein Signal im statischen Rauschen. Ich hörte mein Blut, das heiß durch meine Ohren rauschte. Zeit zu gehen, rennen, rennen, rennen. Ich drehte mich um, aber da schloß die Tür sich klickend.
»Jetzt hab’ ich vor Schreck einen Satz gemacht«, sagte ich.
»Wie hoch?«
»Ich will nicht bleiben. Laß mich raus.«
»Schrei«, sagte er.
Ich starrte ihn an.
»Schrei. Jemand wird angerannt kommen. Es wohnt ein Reisender auf jeder Seite, eine Hure gegenüber, und unten ist der Portier. Die werden kommen.«
»Ich werde nicht schreien. Laß mich vorbei«, sagte ich. :
Er tat es natürlich nicht; er schob mich rückwärts vor sich her, bis mein Rücken seitlich gegen den Schrank stieß; kalt und etwas klamm fühlte ich ihn an der Mulde zwischen meinen Schulterblättern. Er zog die Hände über meine Schultern und drückte meine Brüste unter dem Kleid.
»Bist du betrunken?« fragte er.
»Nicht mehr als sonst«, antwortete ich.
»Hast du Angst?«
»Was glaubst du?«
»Dann können wir herausfinden, was mit uns ist«, sagte er und nahm die Brille ab.
Diesmal gab es keine Tricks. Meine Furcht versank in Leidenschaft. Seine Hände waren zart an meinem Fleisch, sein Mund weich und stark an meinem. Ich wollte ihn, glaubte an ihn, und als es vorüber war, schlief ich in seinen Armen ein. Ich schlief tief, vom Nachmittagslicht bis zur Sommerdunkelheit, bis die rhythmische Bewegung seines Körpers an meinem mich weckte. Mit halb offenen Augen schaute ich über das Kissen und sah seine Stahlbrille zusammengeklappt neben einem leeren Glas auf dem Nachttisch liegen. Ich war erst nicht sicher,
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