Die Spiele des Computer-Killers
selbst und seiner Geliebten enthielt. An dieser Stelle schauten mich alle in den stickigen kleinen Raum an, alle außer David. Meine Wangen erglühten rot, und mein Hals brannte heiß. Ich hatte ein höllisch schlechtes Gewissen, und man sah es mir an.
Es sei keine Frage, daß dies eine Einzel-User-Katastrophe gewesen sei, erklärte er, und ein besorgt dreinblickender Ingenieur von Virtech pflichtete ihm bei, da kein anderes Peripheriegerät und kein zweiter Anzug gleichzeitig angeschlossen gewesen sei. Die Polizeiexperten waren der gleichen Meinung. Kurz gesagt: Der Computer und Julie Jones waren miteinander allein gewesen.
Als er anfing, sie zu beschreiben, fragte ich mich plötzlich, wieviele von ihren psychologischen Kleidern er eigentlich geborgt oder mit ihr geteilt hatte. Julie, sagte David, sei als Kind leicht autistisch veranlagt gewesen. Zum Beleg dafür gab es ein ärztliches Attest, auf das der Untersuchungsrichter sich diskret bezog. David erklärte, seiner Frau sei es schwergefallen, Zuneigung zu zeigen oder zu akzeptieren, und das habe eine ansonsten glückliche Ehe ein wenig belastet. Er gab zu, daß er in der Vergangenheit Affären gehabt habe, die seine Frau aber toleriert habe, weil sie einander ansonsten bestens ergänzt hätten. Niemand im Raum zeigte sich verblüfft ob dieses Bekenntnisses. Es war letzten Endes eine sehr traditionelle Ehesituation, geprägt von wahren viktorianischen Werten.
Der Untersuchungsrichter fragte David zögernd, ob er wisse, weshalb sie die Strangulationsoption des Computers gewählt haben könnte.
»Um Macht zu erleben, und Hilflosigkeit. Sie wollte ihre eigene Hilflosigkeit steuern. Sie fand das, offen gesagt, sehr erregend. Man hat uns aber gesagt, das sei nichts Ungewöhnliches. Zum Beispiel haben viele Frauen Vergewaltigungsfantasien. Aber Fantasiegestalten kann man steuern. Keine Frau will von einem realen, lebendigen Vergewaltiger überfallen werden.«
»Ganz recht, Dr. Jones. Hatte Ihre Frau denn, äh, jemals dieses... Strangulationserlebnis in der Realität, im wirklichen Leben, mit einem anderen menschlichen Wesen?«
»Möglich«, sagte David. »Aber nicht mit mir.«
Es war ein Skandal, aber kein vollständiger, weil von den drei Personen, die wirklich wußten, wovon er redete, die eine tot war, die zweite eine Psychiaterin, die vielleicht gar nicht existierte, und die dritte sein Alibi für die fragliche Nacht.
Ich sagte aus, daß David Jones für kurze Zeit mein Liebhaber gewesen sei, daß ich aber versucht hätte, die Beziehung zu beenden, als ich herausgefunden hätte, daß er verheiratet war. David Jones habe auf mich gewartet, als ich vom Pub nach Hause gekommen sei. Ich gab zu, daß ich zuviel getrunken hatte und daß ich vor ihm weggelaufen und auf den Kopf gefallen war. Danach, sagte ich, könne ich mich nur noch an wenig erinnern. Mit weiteren Details gab ich mich nicht ab, denn dazu hatte ich nicht den Mut. Ich konnte es ihnen nicht sagen, konnte das alles nicht vor einem öffentlichen Gericht erzählen, konnte es überhaupt nicht erklären. Und wenn ich ihnen berichtete, was er am Morgen nach ihrem Tod zu mir gesagt hatte, würde ich es müssen.
Der Untersuchungsrichter nickte und stellte fest, daß ich als erste in einer überregionalen Tageszeitung über Julies Tod berichtet hatte. Ich warf einen Blick zu Robert Falk hinüber, aber er beobachtete David.
Leute, die mit ihr zusammengearbeitet hatten, sagten aus, aber Freunde waren nicht dabei. Ein pferdeschwanztragender Schotte von Babylon Software beschrieb sie als »Genie mit Konzepten, wirklich brillant«, aber nicht gesellig, den meisten eher ein bißchen zu »kalt und überheblich«, aber er habe sich ganz gut mit ihr vertragen. Humor habe sie gehabt, und ein heftiges Temperament. Er erinnerte sich, wie sie getobt hatte, wenn ein Projekt, an dem sie gearbeitet hatte, irgendwie kritisiert wurde, innerhalb von Babylon oder später in der Presse. Solche Kritik mochte noch so geringfügig oder konstruktiv sein, sie nahm sie übel und vergaß niemals, wer sie da, wie sie fand, geschmäht hatte. Deshalb hatte sie selbständig gearbeitet, meinte er; das habe allen besser gepaßt.
Davids Sekretärin bei Virtech meinte, sie habe Julie manchmal als etwas schroff empfunden — »die Frau vom Boss eben« — , aber sie sei immer fair gewesen. Sie habe nie gehört, daß sich das Paar gestritten habe, sie hätten einander immer mit Respekt behandelt, sagte sie. Mit Samthandschuhen wohl eher,
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