Die Spinne (German Edition)

Alleinsein.«
    »Das Auto auch.«
    »Dann fahren wir eben um den Berg herum.«
    Seufzend legte Zhang Guo den Rückwärtsgang ein und fuhr los.
    Noch in der Stadt fingen sie an zu reden, wenn sie hinter Lastwagen und Autos stoppten, die in noch schlechterem Zustand waren als ihr Citroën, oder im Qualm schwarzer Abgaswolken vor Ampeln warteten. Zhu erwähnte das Erdbeben, und sie verglichen düstere Schätzungen zu den Opferzahlen. Gemeinsam überlegten sie, wen sie in Sichuan kannten und von wem sie gehört hatten. Es war ein trostloses und dazu noch unkonstruktives Thema: mit ihrer Betroffenheit konnten sie die Toten nicht wiedererwecken. Daher fing Zhu an, persönliche Fragen zu stellen, um Zhang Guo die Gelegenheit zum Jammern über sein Leben in dem vornehmen Pekinger Bezirk Dongcheng, seine unerträgliche Frau, seine eifersüchtige Geliebte und die zunehmende Atmosphäre von Paranoia im Aufsichts- und Verbindungsausschuss zu geben. »Da jagt eine schlechte Nachricht die andere«, stellte er fest, als sie endlich die Stadt verließen und auf die Küstenautobahn um das Laoshan-Gebirge und seine berühmten Geister fuhren. Rechts von ihnen breitete sich das Gelbe Meer aus.
    »Hast du das von Wu Liang gehört?«, fragte Zhang Guo.
    »Dass er mich vernichten will?«
    »Das andere.«
    »Er übernimmt die Verantwortung für die Sicherheit bei den Olympischen Spielen.«
    »Und?«
    »Eine kluge Entscheidung. Jiang Luoke hat nicht genug Organisationstalent.«
    »Jiang Luoke hat den Waffenstillstand mit Al Kaida erreicht.«
    »Der nicht besser ist als das Papier, auf dem er geschrieben steht.«
    »Er steht nicht auf Papier geschrieben.«
    Zhu klatschte zweimal in die Hände.
    Zhang Guo lehnte sich in eine Kurve, als sie in den Schatten des Bergs gelangten. »Vielleicht hätten wir deinen Namen lancieren sollen.« Dann schüttelte er den Kopf. »Ach so, stimmt. Du bist ja der, der einen Krieg mit der CIA vom Zaun gebrochen und dann das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beschuldigt hat, dass es CIA -Nattern Unterschlupf gewährt. Hatte ich ganz vergessen.«
    »Spar dir die Melodramatik.«
    »Xin Zhu, du hast drei Dutzend CIA -Agenten umgebracht.«
    »Nicht ganz. Ein paar sind entwischt.«
    Zhang Guo zeigte ihm zwei hochgezogene Brauen und mattgelbe Zähne, ehe er sich wieder der Straße zuwandte. »Natürlich war dein Fehler nicht, dass du die CIA abgeschlachtet hast. Du hast bloß nicht verhindert, dass unsere Oberen was davon mitbekommen.«
    »Ich habe niemandem was erzählt.«
    Wieder die Brauen und Zähne. »Ich nehme an, dass dein Assistent, der mit dem Mädchennamen, nach zu vielen Gläsern Baijiu angegeben hat wie ein Pfau.«
    »An-ling ist ein Name für beide Geschlechter. So einen Namen kriegt man, wenn man mit Eltern aus der Künstlerklasse geschlagen ist.«
    »Und so was passiert, wenn man Leute aus der Künstlerklasse einstellt, Xin Zhu.«
    »Shen An-ling hat nicht geplaudert.«
    Zhang Guo nahm eine harte, schwere Hand vom Steuer und klopfte seine Hemdtaschen ab, bis er die nächste Zigarette gefunden hatte. Nachdem er sie sich zwischen die Lippen gesteckt hatte, redete er weiter. »Das Entscheidende ist, dass dich Wu Liang in die Enge getrieben hat. Er hat sein Ministerium und den ganzen Ausschuss in Panik versetzt. Yang Qing-Nian prahlt schon damit, dass sie dich rausschmeißen werden.«
    »Yang Qing-Nian ist noch ein Kind und zittert vor der CIA .«
    »Wir zittern alle vor der CIA . Außer dir natürlich. Die Leute glauben, dass du verrückt geworden bist. Das ist dir doch klar, oder?«
    Mit zusammengekniffenen Augen fixierte Zhu den Bergschatten, der mit seiner weiten Ausdehnung Felsen, Segelboote und weiße, pinselstrichartige Meereswellen unter sich begrub. Würde er es merken, wenn er verrückt wäre? Oder brauchte es nur eine koordinierte Anstrengung all jener, die er im Lauf der Jahre vor den Kopf gestoßen hatte, um ihm die richtige Diagnose zu stellen? Wu Liang und Yang Qing-Nian vom Ministerium für Öffentliche Sicherheit waren hochrangige Mitglieder im Aufsichts- und Verbindungsausschuss, dem Parteiorgan, das unter anderem über die Disziplin in seinem Berufsstand wachte. Zhang Guo gehörte ebenfalls diesem Ausschuss an und repräsentierte dort die Oberste Volksstaatsanwaltschaft. Xin Zhu hingegen war nur ein einfacher Guoanbu-Soldat. Konnten solche Männer etwas diagnostizieren, das er selbst niemals an sich erkennen würde?
    »Der Ausschuss glaubt auch, dass die Zukunft der Spionage im