Die Spinne (German Edition)
Dongfan Beisan klang aufgekratzt. »Ein oder zwei Alben? Über die Besetzung können wir gern verhandeln. Ein Soloprojekt fände ich sowieso am besten. Mister Clean – das ist mein neuer Name.«
»Klappe.« In Shen An-lings Stimme lag ein drohender Unterton.
Zhu setzte nach: »Dongfan Beisan, weißt du, wer ich bin?«
Der Mund des Musikers kaute Luft. Dann schüttelte er den Kopf. »Auf jeden Fall nicht von Modern Sky, das steht fest.«
»Ich bin der Mann von Sung Hui.«
Dongfan Beisans Gesicht machte dicht. Jede Spur von Emotion wich aus Wangen, Augen und zuletzt aus den zuckenden Lippen. Alles wurde schlaff, bis nur noch der leere Ausdruck übrig war, der schon so manchem Chinesen das Leben gerettet hatte. »Kenn ich nicht.«
»Warum hast du dann ein Mädchen nach ihr ausgefragt?« Zhus Stimme blieb locker und gelassen.
Shen An-ling schlug einen anderen Ton an. »Dongfan Beisan möchte deine Frau ficken. Das ist der Grund.« Er öffnete die hintere Tür. »Einsteigen.«
»Nein.« Die Miene des Jungen blieb unbewegt. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Während zwei Männer auf Fahrrädern vorbeizogen, den Blick starr geradeaus gerichtet, atmete Zhu langsam aus und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Reden wir im Büro weiter.«
Shen An-ling verstand ihn falsch. Er packte Dongfan Beisan am Hemdkragen und riss daran. Mit lautem Knall prallte die Stirn des Jungen gegen das Autodach. Schmerz huschte über Dongfan Beisans Gesicht, dann war wieder jeder Ausdruck weggewischt, und er ließ sich folgsam von Shen An-ling auf den Rücksitz verfrachten.
Dieser kurze Gewaltausbruch erwies sich als ausreichend. Auf dunklen Straßen bewegten sie sich in umständlichem Zickzackkurs allmählich in nördlicher Richtung durch den Bezirk Haidian. Plötzlich durchbrach Dongfan Beisan das Schweigen. »Sie ist Amerikanerin.«
»Ich kann dir nur raten, dass du damit nicht seine Frau meinst«, antwortete Shen An-ling.
»Nein, nein. Mary Caul. Sie arbeitet im amerikanischen Konsulat in Guangzhou.«
Zhu senkte seine Sonnenblende, um den Jungen in dem kleinen Spiegel zu beobachten. »Weiter.«
»Hab sie im New Get Lucky kennengelernt.«
»Im was?«
»Im Bezirk Chaoyang«, warf Shen An-ling ein. »Dort wird deutsches Bier serviert.«
»Wie lange ist das her?«
»Dass ich sie getroffen habe? Fünf, sechs Monate. Sie ist aus New York. Hübsch. Sie mag mich.«
»Hast du mit ihr geschlafen?«, fragte Zhu.
Erstaunlicherweise sickerte Verlegenheit durch die Maske des Jungen. »Wenn sie in der Stadt war.« Seine Stimme war fast nur noch ein Flüstern.
»In deiner Wohnung?«
Dongfan Beisan schüttelte den Kopf. »Nie. In ihrem Hotel.«
»Welches?«
»Crowne Plaza.«
Shen An-ling stieß einen Pfiff aus. »War bestimmt wie der Jackpot in der Lotterie für dich.«
Der Junge runzelte die Stirn, ohne sich zu äußern.
»Und sie hat dich gebeten, dich nach meiner Frau zu erkundigen?«
»Letzte Woche. Am Donnerstag. Mary sagte, dass Sung Hui eine alte Freundin von ihr ist. Sie hat sich Sorgen um sie gemacht, weil sie …« Er verstummte.
»Raus damit«, blaffte Zhu.
»Sie sagte, dass Sung Hui einen brutalen Mann geheiratet hat, der sie gefangen hält. Sie hat keine Möglichkeit, Kontakt zu ihr aufzunehmen, außer sie läuft ihr zufällig über den Weg. Also wollte sie erfahren, wie ihr Tagesablauf aussieht.«
»Bai chi«, knurrte Shen An-ling.
»Er ist nicht schwachsinnig«, korrigierte Zhu. »Nur verliebt. Zugegebenermaßen ein ganz ähnlicher Zustand.«
Dongfan Beisan blieb stumm.
Zhu hakte nach: »Wie bist du draufgekommen, eine Verwandte der Schneiderin meiner Frau anzusprechen?«
»Mary hat mir den Tipp gegeben.«
»Sie weiß also nicht, wie sie meiner Frau zufällig begegnen soll, aber sie kennt den Namen und die Familie von der Schneiderin meiner Frau?«
»Ich … daran habe ich nicht gedacht.« Anscheinend war der Junge doch ein Idiot.
Trotz Shen An-lings Protesten fuhren sie zurück zum Blim-Blam und ließen den benommenen Dongfan Beisan mit wackligen Knien aussteigen. Kurz darauf im Büro konnten sie den Akten entnehmen, dass Mary Caul tatsächlich im Rahmen des Außenhandelsdienstes Angestellte des amerikanischen Konsulats in Guangzhou war – oder vielmehr bis zum vergangenen Freitag gewesen war, an dem sie für immer in die USA zurückgekehrt war. Einen Tag, wie Shen An-ling überflüssigerweise anmerkte, nachdem sie Dongfan Beisan gebeten hatte, Informationen über Sung Hui zu sammeln. Ebenfalls
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