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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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gewaltigen Körperumfang und eine angehende Glatze hatte, tat sein Bestes, um nichts zu berühren, der andere war schwabbelig und musterte alles mit einem Ausdruck völliger Verblüffung in seinen kurzsichtigen Augen. Die Rockfans hatten keine Ahnung, was das Erscheinen der Unbekannten zu bedeuten hatte.
    Auf einem handgeschriebenen Schild gleich nach der Tür erfuhren Zhu und Shen An-ling, dass an diesem Abend die Pink Undergarments und Dongfan Beisans Band Just Teenage Rebels zum Andenken an die Toten von Sichuan auftreten würden. Sie traten zur Bar, einem langen Zinktresen, der nach dem Abriss der Yugon Yishan Bar – diese war wie so vieles dem olympischen Glamour zum Opfer gefallen – gerettet worden war. Dort erkundigten sie sich beim Barkeeper nach dem Umkleideraum der Bands. Ein Lachen war die Antwort. »Gleich da drüben.« Er deutete zur hinteren Seite des Clubs, wo Teenager durch eine schartige Öffnung in der Ziegelwand kamen und gingen.
    Dahinter lag ein schummriger Korridor, der nach Pisse stank und zu einer Toilette für beide Geschlechter führte, wo die Mädels in gesprungenen Spiegeln ihren Lidstrich prüften und die Jungs qualmten und sich an den Urinalen gegenseitig mit Tritten bearbeiteten.
    Durch eine offene Kabinentür erspähte Zhu drei magere Jünglinge mit langem Haar, einer in enger Lederhose, ein anderer mit Trommelstöcken in der hinteren Jeanstasche, die einen Joint kreisen ließen. Inzwischen waren die Eindringlinge entdeckt worden, und die Mädels packten ihre Stifte zusammen und huschten an ihnen vorbei. Die Jungs bei den Urinalen suchten mit noch halb offenem Hosenschlitz das Weite. Der Schlagzeuger bemerkte Zhu und Shen An-ling als Erster und stupste den in der Lederkluft an. Der Dritte in T-Shirt und knielangen Shorts geriet in Panik und ließ den Joint hastig in die Toilette fallen.
    »Just Teenage Rebels?«, fragte Zhu.
    Der mit den Shorts flüsterte etwas, von dem er nur das Wort Produzent verstand.
    »Ja«, antwortete der mit der Lederhose. Auch er hatte Kajal aufgetragen. »Wir sind Just Teenage Rebels.«
    Shen An-ling klatschte in die Hände, um seinen Schock zu überspielen. »Und du bist bestimmt der große Dongfan Beisan.«
    Ein träges, zugedröhntes Lächeln. »Richtig, Genosse.« Endlich wagte er sich aus der Kabine und stieß mit lässiger Geste die Finger in die Hosentaschen. »Seid ihr von Modern Sky?«
    Modern Sky war eine große Independent-Plattenfirma. »Wie hast du das so schnell gemerkt?«, fragte Shen An-ling.
    »Ich hab’s gewusst! «, krähte der mit den Shorts.
    Der Schlagzeuger widersprach mit leiser Stimme: »Die sind nicht von Modern Sky.«
    Ein paar Sekunden lang herrschte Stille. Dann ergriff Zhu das Wort. »Dongfan Beisan, können wir uns kurz allein unterhalten?«
    »Jeder Deal ist für uns alle.«
    Von hinten hörte Zhu, wie sich eine lachende junge Frau näherte, schlagartig verstummte und sich wieder entfernte.
    Shen An-ling wandte sich an Zhu. »Die meinen es nicht ernst. Ich hab dir gleich gesagt, das bringt nichts.«
    »Du hast recht.« Zhu hob einen fülligen Finger und deutete auf Dongfan Beisan. »Ich dachte, dass ihr es ernst meint. Aber man kann sich täuschen.«
    Der mit den Shorts stieß Dongfan Beisan an. »Mach schon, ist okay.«
    Der Schlagzeuger schwieg mit düsterem Gesicht.
    Dongfan Beisan leckte sich die trockenen Lippen und schaute sich kurz nach seinen Freunden um. »Einer für alle, verlasst euch auf mich.« Nach einem letzten High five steckte er die Finger wieder in die Hosentaschen und trat zu Zhu und Shen An-ling. »Also gut, wir können loslegen.«
    Beim Weg zurück durch den Club und hinauf zur Straße wurden sie von hundert jungen Augen beobachtet, und Dongfan Beisan grüßte Freunde mit erhobenem Daumen. Irgendwie kam Zhu die ganze Sache etwas zu mühelos vor. Ein Mann, der neugierige Fragen nach seiner Frau gestellt hatte, ging einfach mit ihm hinaus, als hätte er nichts zu befürchten? Zeichen von Naivität oder Dummheit? Er neigte zu Letzterem.
    Auf dem regennassen, schmutzigen Hutong drängten sich unzählige Leute, die Geschäfte oder Kneipen besuchten, und überall wimmelte es von Studenten in billigen Knopfhemden und gebügelten Jeans. Beim Anblick des schwarzen, viertürigen Audi A6, mit dem sie sich in die Gasse gezwängt hatten, zögerte Dongfan Beisan. Zhu öffnete die Beifahrertür und setzte sich, ohne die Füße ins Auto zu ziehen. Er war schon zu viel gelaufen an diesem Tag.
    »Also, worum geht es?«

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