Die Spinne (German Edition)
schreiben«, sagte sie schließlich.
»Auf jeden Fall.« Milo wandte sich wieder dem zischenden Hähnchenfleisch zu. »Bloß eine elegante Entschuldigung darfst du nicht erwarten. Zumindest nicht auf Papier.«
7
Manche Familien schöpfen ihre Kraft aus der offenen Begegnung mit der Welt, und der Empfang von Besuch gehört für sie zum Alltag. Andere dagegen bleiben stets auf Abstand, im freiwilligen Exil, wie aus Furcht, die Anwesenheit Dritter könnte die besondere Freude ihres Zusammenlebens verderben. Zu Letzteren gehörten auch die Weavers. Bei Besuchen von Freunden und Verwandten benutzten sie die kleine Wohnung als Ausrede, um sie im nahe gelegenen Park Slope Inn unterzubringen. Auf diese Weise hielten sich die Störungen in einem berechenbaren und überschaubaren Rahmen.
Dass Penelope nun die Couch als Bett besetzte, fühlte sich an, als wäre ein Felsbrocken mitten ins Wohnzimmer gekracht. Für alle Beteiligten eine missliche Situation, nur für Stephanie nicht, die durch diese Abwechslung regelrecht aufblühte. Am Freitag fuhr Tina zur Arbeit und überließ es Milo und ihrer Tochter, sich mit dem Gast zu arrangieren. Vielleicht um nicht ständig im Weg zu sein, brach Penelope gegen Mittag zu irgendwelchen »Besorgungen« auf und kehrte erst nach fünf zurück – mit einer großen Tüte voller Metallbehälter mit dampfenden Thaigerichten aus einem Restaurant namens Sea. Milo und Stephanie hatten am Nachmittag zwei Stunden bei BookCourt herumgestöbert, Lebensmittel besorgt und Eintrittskarten für das internationale Marionettenfestival im Yeshiva University Museum am Sonntag gekauft.
Penelope hielt die Tüte in die Luft. »Heute kein ungesalzenes Essen von Daddy.« Stephanie jubelte.
Der Samstag begann mit einer Überraschung, denn Milo hatte seinen achtunddreißigsten Geburtstag vergessen. Er wachte auf, als sich Tina und Stephanie mit Küssen und Glückwünschen auf ihn warfen. Zum Frühstück aßen alle Schokoladenkuchen, auch Penelope, die sich allerdings kritisch über die Qualität der von der Bäckerei verwendeten Schokolade äußerte. Stephanie überreichte ihm ein Aluminiumkästchen für Stifte, das sie mit ungewollt abstrakten Drachen bemalt hatte, während ihm Tina ein Set Waterman-Kugelschreiber schenkte. Anscheinend hatte sie Penelope von seinem Geburtstag erzählt, denn auch sie gab ihm ein schweres Päckchen, aus dem schließlich beide Bände von Julia Childs Mastering the Art of French Cooking zum Vorschein kamen. »Wie du feststellen wirst, ist Salz eine weitverbreitete Zutat.«
Den ganzen Samstag über waren alle guter Laune, unter anderem gingen sie zusammen ins Kino, um einen von Stephanie ausgewählten Streifen anzuschauen: Kung Fu Panda – der Titel sagte eigentlich schon alles. Doch am Sonntagmorgen sackte Penelopes Stimmung in den Keller. Als Stephanie um neun im Pyjama ins Wohnzimmer tapste, um sich Zeichentrickfilme anzusehen, zog sich Penelope stöhnend das Kissen über den Kopf. Beim Frühstück erklärte sie in Richtung der Erwachsenen: »Alan und ich waren uns immer einig, dass es eine Frage des Lebensstils ist, keine Kinder zu haben – wir wollten einfach, dass unser Leben weiterhin Stil hat.«
Tina, die sich am Sonntagvormittag gern in aller Ruhe mit dem Feuilleton der New York Times beschäftigte, wurde sichtlich ungehalten, als Penelope sie ständig mit Bemerkungen über Alans Tugenden und Schwächen unterbrach. Als Penelope gerade im Bad war, sagte sie: »Mann, die kann einem ganz schön auf die Nerven gehen.«
Alle zusammen drängten sie in die U-Bahn, um zum jüdischen, griechischen, tschechischen und chinesischen Marionettenfestival im Yeshiva University Museum an der West Sixteenth Street zu fahren. Tina hatte am vergangenen Wochenende von der Veranstaltung gelesen, und Milo freute sich darauf, Stephanie etwas vorzuführen, das nicht in der Flimmerkiste lief. Doch angesichts ihrer wortkargen Reaktion auf das Bühnengeschehen machte er sich Sorgen, dass sie womöglich schon zu verbogen war. Weder die historische Kuriosität der Mitzvah-Maus noch die zuckende Beleuchtung über den griechischen Schattenpuppen noch die seltsam lebensechten tschechischen Marionetten konnten Stephanie begeistern. Das änderte sich erst mit den chinesischen Handpuppen.
Zwar weckte die erste Aufführung mit einem verheirateten Paar, das sich über die beste Zubereitung von Aal stritt, kaum ihr Interesse, doch als bei der zweiten Vorstellung Wu Song im roten Kimono vor schwarzem
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