Die Spitze des Eichbergs
knapp verpasste.
Dennoch war man mit dem Erreichten ganz zufrieden, als abermals Verdruss von Justitia drohte. Eine Meldung schreckte die Gelsenkirchener Fans hoch: Die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen abgeschlossen und werde in Kürze ein weiteres Verfahren eröffnen. Im Klartext sah das folgendermaßen aus: Nachdem die Beschuldigten sich auf Anraten ihrer Anwälte zur Sache selbst nicht mehr geäußert hatten, schloss die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ab und kündigte die Eröffnung des Hauptverfahrens an. Die Beschuldigten erhielten eine Ermittlungsakte, sage und schreibe 1600 Seiten dick.
Als besonders belastet sah man Präsident Günter Siebert und Schatzmeister Heinz Aldenhoven an. Beiden werden laut Aussage der Justizbehörden »fortgesetzter Meineid und falsche uneidliche Aussage« vorgeworfen. Dazu Präsident Siebert: »Das ist doch alles aufgewärmter Kaffee! Die Spieler sind vom DFB zum großen Teil auf Grund von Indizien verurteilt worden. Jetzt sind sie begnadigt worden und dürfen wieder spielen. Unsere Auffassung ist: Einmal begnadigt, immer begnadigt.« Die Anklageschrift wurde Siebert und Co. Im Mai 1974 zugestellt. Im März 1975 sollte es zum Prozess vor dem Essener Landgericht kommen, der wurde nochmals auf den 30. September 1975 verschoben -mehr als vier Jahre nach dem ominösen Spiel gegen Arminia Bielefeld.
Deutschland wurde Weltmeister, doch die Schalker Spieler saßen bei dem großen Triumph im Münchner Olympiastadion nur als Edelreservisten auf der Ersatzbank. Nach dem siebten Platz im Vorjahr wollten die Schalker in der Saison 1974/75 noch einmal richtig angreifen. Mehr oder weniger war der Kader zusammen geblieben. Die wichtigsten Spieler, Fischer, Fichtel, Sobieray, Lüt-kebohmert, Rüssmann, Nigbur, die Kremers-Zwillinge und Abramczik, waren einsatzbereit - und vor allen Dingen nicht mehr gesperrt. Trainer Horvat konnte wieder aus dem Vollen schöpfen, außerdem konnte man einen fantastischen Spielmacher hinzu gewinnen. Nach wochenlangem Tauziehen wechselte Hannes Bongartz für 777.000 Mark Ablösesumme von Wattenscheid 09 an den Schalker Markt. Finanziert wurde das ganze auch durch die Schalker Zuschauer, die eine »Bongartz-Mark« bei den Eintrittspreisen »abdrücken« mussten. Bei dem bis dato teuersten Transfer eines Regionalligaspielers gab es nur zufriedene Gesichter: 09-Präsident Klaus Steilmann wedelte zufrieden mit den Geldscheinen, Siebert und Horvat waren sich sicher, mit dem »Spargel-Tarzan« einen Hochkaräter an Land gezogen zu haben. Bongartz, der als Erfinder des »Übersteigers« gilt, war eine echte Verstärkung, auch weil er sich schnell integrieren ließ.
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Auf der Suche nach weiteren Verstärkungen wurde Siebert in Brasilien fündig. Francisco Marinho hieß der »Wunderstürmer« des FC Botafogo, der bei den Schalkern anheuern wollte. Es schien alles klar, nur noch um die Ablöse wurde gefeilscht. Und wieder sollten die Schalker Fans für einen Spieler draufzahlen. 70.000 Stimmzettel wurden beim Heimspiel gegen den FC Bayern verteilt, mit denen abgestimmt werden sollte: »Marinho kaufen?« und »Marinho-Zuschlag?« stand darauf. Doch die Urnen mit den Stimmzetteln waren plötzlich verschwunden und blieben es auch, obwohl Günter Siebert samt Vorstand noch am nächsten Sonntag zur Müllkippe fuhren, um sie zu suchen. Damit wurde auch dieses Thema schnell zu den Akten gelegt. Nach dem 2:0-Sieg bei den Bayern sprach man auf Schalke schon wieder vom Titel. Das war dann doch etwas verfrüht, denn Schalke war noch nicht so stark, und Bayern enorm schlecht, am Ende landeten sie sogar nur auf dem zehnten Platz. Auch bei Schalke reichte es nicht für einen internationalen Platz: Wieder scheiterte man als Siebter nur denkbar knapp. Meister wurde in dieser Saison Borussia Mönchengladbach vor Hertha BSC Berlin.
Glamour auf Schalke: Hannes Bongartz mit Gattin und Pudel
ABSCHIED VON HORVAT
Enttäuscht von dem Abschneiden seiner Mannschaft musste Trainer Horvat seine Koffer packen. Beim 3:0-Sieg im letzten Spiel der Saison bedankte sich Präsident Siebert mit Handschlag für die vierjährige erfolgreiche Arbeit, und die Fans verabschiedeten ihn mit viel Beifall und einem dicken Strauß blau-weißer Nelken. Eine Ära ging zu Ende. Im Nachhinein dürften es die Schalker Verantwortlichen wohl mehr als einmal bereut haben, ihn entlassen zu haben. Im Skandal blieb es in dieser Saison extrem ruhig. Eigentlich sollte es im März 1975 zum
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