Die Spitze des Eichbergs
Prozess kommen, dieser wurde aber nochmals auf den 30. September 1975 verschoben, weil der Rechtsanwalt von Klaus Fischer, Dr. Hütsch, wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht in der Lage war, die Verteidigung zu übernehmen. Für die Saison 1975/76 verpflichtete der FC Schalke 04 Max Merkel als neuen Trainer. Eigentlich hatte Merkel schon so gut wie bei den Bayern einen Vertrag unterzeichnet, doch als diese den Europacup gewannen, wollten sie nicht mehr ihren Trainer Dettmar Cramer entlassen. Da kam Merkel das Schalker Angebot gerade recht. Man versprach ihm weitere Verstärkungen, Tenhagen und Burgsmüller sollten jetzt geholt werden, zudem war ein Ende im Bundesliga-Skandal absehbar. An und für sich keine schlechte Ausgangssituation.
30. WIE BAAD ER-ME IN HOF
Die versprochenen Verstärkungen ließen auf sich warten, der Meineid-Prozess jedoch nicht. Am 30. September 1975 wurden 15 Verhandlungstage angesetzt, und eines war klar: Würden die Schalker Angeklagten vor dem Essener Landgericht verurteilt, so stünden ihnen Strafen von sechs Monaten bis fünf Jahren (Meineid) oder von drei Monaten bis fünf Jahren, in schweren Fällen nicht unter einem Jahr (uneidliche Falschaussage) ins Haus. Das wäre natürlich das Aus aller Meisterschaftsträume. Der Prozess war eröffnet. Wäre die Schalker Abwehr auf dem grünen Rasen nur halb so gut wie ihre Verteidiger im schwarzen Ornat, den Gegnern dürfte in jener Spielzeit kein einziges Tor gelungen sein. Denn während die Verteidigung mit allen Tricks arbeitete, gelangen Gericht und Staatsanwaltschaft nur zwei Eigentore, von denen das zweite sogar zum Abbruch führte. Die Verteidigung lehnte gleich zwei Richterwegen Befangenheit ab, wobei der zweite abgelehnte Richter einen neuen Termin ansetzte; eben dies Ist allerdings nach herrschender Rechtsordnung nicht erlaubt.
Während sich die Juristen ihre Spiegelfechtereien lieferten und dafür sorgten, dass der größte Teil des zweiten Verhandlungstages aus Pausen bestand, waren die angeklagten Spieler im Geiste mehr auf dem Fußballplatz als im Gerichtssaal. Klaus Fichtel gab seinem ehemaligen Kollegen Jürgen Wittkamp Tipps, wie Gladbach am nächsten Samstag gegen Braunschweig gewinnen könne. Stan Libuda hingegen gab sich überrascht über das enorme Zuschauerinteresse an diesem Prozess: »Mensch, dat is ja hier wie bei de Baader-Meinhof!« Hilf- und ratlos standen angeklagte Spieler und Beobachter dem Treiben der Juristen vis-a-vis. Auch am vierten Tag war immer noch kein einziger Zeuge vernommen. Wiederum war das Gericht durch Fichtel-Anwalt Dr. Mundorf in Frage gestellt worden. So wurde abermals juristische Haarspalterei betrieben, viel Blabla zum Fenster hinausgeredet und mit fünf Unterbrechungen mehr Pausen gemacht als Verhandlungen. Der Prozess drohte sogar zu platzen, wenn laut Strafprozessordnung die Frist von zehn Tagen zwischen zwei Hauptverhandlungen nicht hätte eingehalten werden können. Und Siebert-Verteidiger Dr. Schmidt-Leichner beharrte darauf, dass das Gericht nicht in die Hauptverhandlung hätte eintreten dürfen, weil das Verfahren bezüglich der von der Verteidigung gestellten Anträge auf Ablehnung der Richter »wegen Besorgnis der Befangenheit« noch nicht abgeschlossen wäre.
So war Dr. Schmidt-Leichner bei der Hauptverhandlung auch zunächst nur als »Mensch« anwesend. Er trat erst wieder in Erscheinung, als die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Siebert und Fichtel abtrennen und den Angeklagten Pflichtverteidiger zur Verfügung stellen wollte. Schließlich vertagte man sich auf den 16. Oktober. Auch in der dritten Prozesswoche kam man in der Sache nicht weiter. Die Spieler antworteten auf die klare Frage des Richters, ob sie sich »zur Sache« äußern wollten, mit einem ebenso klaren »Nein«. Aber Schalke-Präsident Siebert kam wenigstens zu einer grundsätzlichen Erklärung über sein Verhältnis zum Fußball im allgemeinen und zum FC Schalke 04 im besonderen, die er teilweise unter Tränen der Rührung zum besten gab. Er ersparte sich dabei weder einen Seitenhieb auf DFB-Ankläger Kindermann (»der möchte gern Vizepräsident des DFB werden«) noch auf Staatsanwalt Dieckmann (»der möchte gern Oberstaatsanwalt werden«).
UMSTRITTENES PROTOKOLL
Anfang der fünften Prozesswoche gab es eine Bombendrohung im Essener Landgericht. Der Gerichtssaal musste vorsorglich evakuiert werden, doch weiter geschah nichts. Aber ein Protokoll des DFB-Anklägers Hans Kindermann, das Staatsanwalt
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