Die Sprache der Macht
gemacht werden.
Darüber hinaus können wir verabreden, wie wir miteinander sprechen wollen. Es ist möglich, Regeln aufzustellen, die wir ebenfalls in Worte fassen können. Über diese Regeln können wir diskutieren, sie verändern, ihre Verletzung konstatieren oder bestreiten.
Kontrolle über die Sprache der anderen gewinnen
Das bedeutet keineswegs, dass das Sprechen über Sprache vor allem dazu dient, die Sprache der Macht zu entlarven oder zu begrenzen. Tatsächlich öffnet sich hier ein weiteres Spielfeld der Macht: Denn wem es gelingt, die Verständigung zu reglementieren, der hat einen ungeheuren Zuwachs an Macht erfahren. Er hat Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die anderen artikulieren dürfen. Jeden Regelverstoß kann er monieren und über die betreffende Aussage einfach hingweggehen, wenn er das möchte.
Nun ist es die Ausnahme, dass die Regeln für die Verständigung vorher ausformuliert werden. Noch seltener dürfte ein einzelner diese Regeln aufstellen. Meist handelt es sich um ungeschriebene Regeln, die dadurch entstehen, dass wir ein bestimmtes Verhalten dulden – oder auch nicht. Verwechseln wir die Regeln jedoch nicht mit den sprachlichen Gewohnheiten und Gebräuchen – über die wird im Allgemeinen nicht gesprochen, sie sind einfach vorgegeben. Häufig ist es klug, sie zu beachten, sonst erregt man womöglich Widerwillen. Allerdings lassen sie sich auch zum Gegenstand eines Machtspiels machen: Wer sich ungestraft über die Gewohnheiten hinwegsetzen kann, demonstriert damit seine Macht.
Etwas anders verhält es sich mit den Regeln. Auf sie wird nämlich durchaus Bezug genommen: „Lassen Sie mich bitte ausreden?“ – „Ändern Sie Ihren Tonfall.“ – „Wir sprechen nicht von Problemen, sondern von Herausforderungen.“ Wir berufen uns bei unseren Hinweisen auf irgendeinen übergeordneten Wert, der beachtet werden soll: Es geht um Sachlichkeit, Fairness, gegenseitigen Respekt oder auch um die Arbeitsfähigkeit der Gruppe, die nicht beeinträchtigt werden soll, etwa durch destruktive Kritik. Lauter achtbare Leitbegriffe, die von keinem in Frage gestellt werden.
Doch nun geschieht etwas Entscheidendes und das hat unmittelbar mit unserem Thema zu tun: Die Werte werden konkretisiert, übersetzt in ein ganz bestimmtes sprachliches Verhalten. Genau hier wird versucht, Kontrolle über die Sprache der anderen zu gewinnen. Denn ein Wert wie der gegenseitige Respekt kann herangezogen werden, um ganz unterschiedliche Regeln aufzustellen, je nachdem, wie man es braucht. So kann man einschreiten, wenn jemand beleidigend wird, aber man kann damit auch unerwünschte Kritik abwürgen oder sein Gegenüber derartig maßregeln, dass er sich nicht mehr auszudrücken weiß.
„Political Correctness“
Wie weit der Eingriff in die Sprache gehen kann, zeigt das Beispiel der „Political Correctness“. Im Bemühen, niemanden zu kränken, werden herabsetzende Begriffe in eine vermeintlich neutrale Kunstsprache übersetzt: Wer bestimmte Leistungen nicht erbringt, ist nicht unfähig, sondern „anders begabt“. Wer behindert ist, wird als „herausgefordert“ bezeichnet. Wessen Sehvermögen eingeschränkt ist, gilt daher als „visuell herausgefordert“. Auf diese Weise entsteht ein eigentümlicher Jargon, der außerhalb der eigenen Gruppe nur Kopfschütteln auslöst.
Anderen dient die Karikatur der „Political Correctness“ dazu, sich allerlei Grobheiten und Flegeleien herauszunehmen und das dann als Zeichen für die eigene geistige Unabhängigkeit zu verkaufen (ebenfalls ein Wert, auf den man sich gerne beruft).
Die „Wertefrage“ wird uns noch beschäftigen, da sie eigentlich und überhaupt eine Machtfrage ist. Es geht um nichts Geringeres als um die Definitionsmacht darüber, was ein gutes und was ein schlechtes Verhalten ist. Das betrifft eben auch die Sprache. Wer festlegt, wie Sie sich in bestimmten Situationen auszudrücken haben, um Gehör zu finden, der hat erheblichen Einfluss darauf, ob und mit welchem Anliegen Sie buchstäblich durchdringen (→ S. 157, „Wunderwaffe Werte“).
Regelverstoß, na und?
Wir haben es bereits erwähnt: Es ist ein Zeichen von Macht, wenn sich jemand in einer Gesprächsrunde ungestraft über die Gebräuche hinwegsetzen kann. Doch noch wesentlich stärker ist dieser Effekt, wennjemand die Regeln missachtet, die ansonsten für alle gelten, und wenn das keinerlei Konsequenzen für ihn hat, sondern alle dem Betreffenden ehrerbietig zuhören.
Allerdings
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