Die Sprache der Macht
lassen sich manche Sachverhalte besonders gut ausdrücken, anderes geht uns schwerer über die Lippen. Manche Menschen, die zweisprachig aufwachsen, berichten, sie würden, wenn sie die Sprache wechselten, auch zu einer anderen Persönlichkeit. Und aus der Sprachwissenschaft kennen wir die Sapir-Whorf-Hypothese, nach der Grammatik und Wortschatz einer Sprache unser Denken in eine ganz bestimmte Richtung lenken. Jede Sprache lässt nur eine eingeschränkte Weltsicht zu: Deutsche, Chinesen und Hopi-Indianer leben demnach in unterschiedlichen Welten, weil sich ihre Sprachen so stark unterscheiden.
Ob sich so weit reichende Schlussfolgerungen ziehen lassen, ist sehr umstritten. Doch für unser Thema ist ohnehin ein anderer Aspekt viel wichtiger: Innerhalb einer Sprache existieren viele kleine „Untersprachen“: So benutzen Sie andere Begriffe und Redewendungen, je nachdem, in welchem sprachlichen Milieu Sie sich bewegen: Haben Sie mit Ihren Freunden zu tun, tauschen Sie sich mit Ihren Arbeitskollegen aus (es gibt unterschiedliche Berufssprachen), halten Sie einen wissenschaftlichen Vortrag oder müssen Sie sich mit einer Behörde verständigen – Sie benutzen nahezu automatisch ein bestimmtes Vokabular, bestimmte Redewendungen und folgen vorgegebenen Mustern. Das vereinfacht die Verständigung und Sie sind sofort als „Insider“ zu erkennen.
Jemand, der sich (noch) nicht so gut auskennt, fällt sprachlich sofort aus dem Rahmen. Manchmal sind es nur Nuancen, aber wer dazugehört, merkt es sofort: Das ist keiner von uns. Schlimmer noch: Das ist einer, der vorgibt, Bescheid zu wissen. So jemanden darf man nicht dulden. Entsprechend heftig können die Reaktionen ausfallen.
Frank Schirrmacher und der Tweed
In seinem Buch „Payback“ wirft der Autor und FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher einen Blick auf die neue digitale Medienwelt. Doch schon im zweiten Satz des Buchs unterläuft ihm ein kleiner Fehler, wenn er von „SMS, E-Mail, Feeds und Tweeds“ schreibt. Die Kurzmitteilungen des Internetdienstes Twitter schreiben sich allerdings „Tweets“. Tweed ist der Stoff, aus dem die Jacketts von denen geschneidert sind, die gerade nicht als Kenner der Materie gelten. „Studienräte“, wie in einer Besprechung hämisch angemerkt wurde.
Berechenbarkeit und Entlastung
Wer sprachlich auf andere einwirken will, der kommt nicht drum herum: Er muss sich bestimmter sprachlicher Muster bedienen, die in dieser Situation angemessen sind. Unterlassen Sie das, grenzen Sie sich aus.
Doch es kommt noch etwas ganz Entscheidendes hinzu: Es gibt sprachliche Muster und Konventionen, die es erleichtern, den eigenen Willen durchzusetzen. Es gilt gewissermaßen nur die Form zu wahren und die anderen tun rätselhafterweise das, was von ihnen verlangt wird – ohne Widerstand. Der Grund: Es hat sich so eingeschliffen und in der Praxis häufig bewährt. Wir denken nicht über jede Anweisung nach, solange die Form stimmt. Vertraute sprachliche Muster entlasten uns. Wir können uns angemessen verhalten, ohne lange nachzudenken. Nachdenken ist mühsam, dauert seine Zeit und schafft Unannehmlichkeiten. Beispielsweise, wenn wir jemandem widersprechen oder ihn aufhalten müssen. Das Leben ist schon kompliziert genug, also versuchen wir uns das Nachdenken, wenn möglich, zu ersparen. Stattdessen navigieren wir durch unseren Alltag in einer Art von geistigem „Autopilot-Modus“. Auf den mühsamen Selbstdenk-Betrieb schalten wir erst um, wenn eine neuartige oder wichtige Angelegenheit auf uns zukommt. Diesen simplen Mechanismus kann sich zunutze machen, wer seinen Willen durchsetzen und bestimmen will.
Vordrängeln am Kopierer – mit Begründung
In einem Experiment hat der New Yorker Sozialpsychologe Benzion Chanowitz untersucht, unter welchen Bedingungen es Menschen im Büro hinnehmen, wenn sich jemand am Fotokopierer vordrängelt. Kollegen, die einfach nur fragen: „Darf ich vor?“, stoßen in der Mehrzahl der Fälle auf Ablehnung. Doch immerhin 40 % kommen mit ihrer Bitte durch. Allerdings stieg die Quote auf sagenhafte 93 %, wenn die Betreffenden eine völlig nichtssagende Scheinbegründung lieferten, die sie mit dem Wörtchen „weil“ einleiteten. „Darf ich vor, weil ich einige Kopien machen muss?“, hieß der magische Satz. Er war fast so erfolgreich wie das echte Argument: „Darf ich vor, weil ich in Eile bin?“
Ein ganz entscheidender Faktor dabei ist der Zeitdruck. Wenn schnell eine Entscheidung getroffen werden muss (wie
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