Die Sprache des Feuers - Roman
irgendwann rauscht die ganze Anlage in den Ozean.«
»Ich dachte, das passiert erst, wenn das große Beben kommt«, sagt Letty.
»Das ist gar nicht nötig. Sieh mal die Berge dahinten. Das sind so ziemlich die letzten unbebauten Hanglagen der südkalifornischen Küste. Es gibt nur noch einen kleinen Landstrich oberhalb von Laguna und einen oberhalb von San Clemente. Um diese Jahreszeit, wenn es heiß, trocken und windig ist, reicht ein einziger Funke, und alles steht in Flammen. Das Feuer rast durch die Canyons, kreist die Siedlungen ein, manche verbrennen, manche bleiben verschont. Wir stehen dann wieder unten am Strand und versuchen zu löschen.
Nach den Bränden kommt der Regen. In den letzten Jahren war es nicht so schlimm mit den Regenfällen, es wird also mal wieder Zeit. Erst das große Feuer, das die ganze Vegetation vernichtet, dann der Regen, die Mutter aller Erdrutsche. All die Hänge, die sie gerodet und mit ihren Bruchbuden bebaut haben, rutschen ab und wir mit ihnen – in einer Lawine aus Schlamm und billigem Krempel.«
»So sehr scheint dich das gar nicht zu beunruhigen.«
Sie stehen auf der Straße, vor seiner Garage. Vor einer Reihe von Häusern, die alle gleich aussehen.
»Nein, eigentlich nicht«, sagt Jack.
Dann würden sie wenigstens nicht die Strände verschandeln.
Am Garagentor hängt ein Zettel.
Garagenbesitzer sind angehalten, ihre Autos
in der Garage und nicht auf der Straße zu parken.
Eine Garage ist keine Surfboard-Werkstatt.
Die Eigentümergesellschaft
»Surfboard-Werkstatt?«
»Ich hab da ein paar alte Surfbretter drinnen«, sagt Jack. Jacks Garage befindet sich direkt unter seiner Küche. Er drückt die Fernbedienung, worauf sich das Tor mit blechernem Stöhnen öffnet.
Surfboard-Werkstatt ist keine schlechte Beschreibung, denkt Letty.
Zwei alte Longboards liegen auf Sägeböcken, ein paar weitere hängen an der Wand neben Postern von alten Surfer-Filmen. Es riecht nach Surfwachs und Holzlack.
»Jack, du bist unverbesserlich«, sagt Letty.
»Das hier ist das beste.« Er streicht über das alte Longboard aus Holz, das in der Mitte der Garage aufgebockt ist. Drei verschiedene Holzsorten, helle und dunkle, wunderschön verfugt. Eine hervorragende Arbeit. »Von Dale Velzy, 1957 .«
»Gehörte das deinem Vater?«
»Ja.«
»Ich kann mich an diese Dinger erinnern.«
»Das merke ich.«
»Du klebst an der Vergangenheit«, sagt Letty.
»Damals war alles besser.«
»Okay.«
Sie steigen die sechzehn Betonstufen zu seiner Haustür hinauf.
Jacks Wohnung entspricht Muster C – genannt Admiral. Rechts neben der Haustür befindet sich die kleine, aber funktionelle Küche mit Blick auf die Häuserreihe, an klaren Tagen kann man die Saddleback Butte im Osten sehen. Zur Linken die Essecke, die in das Wohnzimmer mit Kamin übergeht. Das Schlafzimmer liegt links vom Wohnzimmer. Eine gläserne Schiebetür führt vom Wohnzimmer auf den kleinen Balkon.
»Tolle Aussicht«, sagt Letty und geht raus auf den Balkon.
»Allerdings«, sagt Jack und zeigt mit dem Kopf auf das Shopping Center, das rechts unten gegenüber vom Golden Lantern liegt. »Ich sehe von hier aus Hughes Market, Burger King und die Reinigung. Bei Westwind rieche ich das Bratfett von Burger King, bei Ostwind den Knoblauch vom Italiener.«
»Komm schon«, sagt Letty, denn die Aussicht vom Balkon ist phantastisch. Wenn man das Shopping Center und die anderen Bauten ausblendet, hat man ein breites Stück Ozean vor sich, mit Catalina Island zur Rechten und geradeaus San Clemente Island. Dana Point Harbor liegt links hinter einer Kuppe verborgen, dahinter die offene Küste die bis hinunter nach Mexiko reicht.
»Du musst ja hier grandiose Sonnenuntergänge haben«, sagt Letty.
»Ganz nett«, sagt Jack. »Im Winter schiebt sich der Ozean hoch wie ein blauer Farbbalken. Er ist zwei Meilen entfernt, aber wenigstens kann ich ihn sehen.«
»Spinnst du? Dieser Blick ist eine glatte Million wert!«
Die Wohnung hat ihn 260 000 Dollar gekostet – billig nach hiesigen Standards.
»Ich glaube, ich muss wieder heulen«, sagt Letty.
»Soll ich bleiben, oder willst du lieber allein sein?«
»Lieber allein.«
Mi casa es su casa , will er sagen, aber er verkneift es sich. »Fühl dich wie zu Hause«, sagt er.
»Ich will dich aber nicht vertreiben.«
»Ich hab unten zu tun«, sagt er. »Wenn du mich brauchst, musst du nur mit dem Fuß stampfen. Das höre ich dann.«
»Okay.«
Er verzieht sich schnell, weil ihr »Okay« schon
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