Die Sprache des Feuers - Roman
»Na, vielen Dank, Mr. Meissner.«
»Howard.«
»Howard«, wiederholt Jack. Dann fragt er: »Kennen Sie den Grund der Trennung? Worum es da ging?«
»Es lag an Pamela«, sagt er traurig. »Sie hat getrunken.«
Das ist es also, denkt Jack, während sich Meissner entfernt. Pamela ist für einen Abend die Kinder los und greift zur Flasche. Irgendwann lässt sie Leo raus zum Pinkeln, vergisst, dass er draußen ist, und geht mit Flasche und Zigarette ins Bett.
Das heißt, sie raucht und trinkt im Bett. Die Flasche kippt um, Wodka läuft aus. Entweder merkt sie nichts, oder es ist ihr egal. Dann schläft sie ein, mit der brennenden Zigarette. Ihre Hand mit der Zigarette sackt nach unten, die Glut entzündet den Wodka, die Flammen greifen auf die Bettwäsche über, und das Zimmer füllt sich mit Rauch.
Normalerweise dauert es zehn bis fünfzehn Minuten, bis die Bettwäsche zu brennen anfängt. Zehn bis fünfzehn Minuten, in denen Pamela den Rauch hätte riechen, die Hitze hätte spüren können. Sie hätte den Brand ersticken können, und gut. Aber Wodka brennt sofort, mit größerer Hitze als eine glimmende Zigarette, die Flammen greifen sofort auf die Bettwäsche über, und da sie fest schläft, hat die Frau keine Chance.
Es ist der Rauch, der sie umbringt, nicht das Feuer.
Jack stellt sich vor, wie sie im Bett liegt, betrunken und im Tiefschlaf. Ihre Atmung funktioniert, obwohl ihr Verstand weggetreten ist, und mit ihrer Atmung saugt sie den Rauch ein, füllt ihre Lunge damit, bis es zu spät ist.
Sie erstickt am Rauch, während sie schläft.
Wie ein Betrunkener, der am Erbrochenen erstickt.
Es gibt also einen winzigen Trost für Pamela Vale. Sie wusste buchstäblich nicht, wie ihr geschah.
Sie mussten sie von den Sprungfedern kratzen . Aber sie war tot, als ihr brennendes Fleisch mit dem Metall verschmolz. Sie wachte nicht mehr auf, das ist alles. Das Feuer brach aus, sie inhalierte eine tödliche Dosis Rauch, und dann wurde das Feuer, genährt vom Mobiliar und den Balken des Hauses, so heiß und so vernichtend, dass es die Stahlfedern der Matratze zum Schmelzen brachte.
Ein bedauerlicher Unfall.
Es liegt eine grausame, aber auch wieder tröstliche Ironie in einem solchen Feuertod. Grausam, weil es die eigenen Gegenstände sind, an denen das Opfer erstickt – Möbel, Bettwäsche, Decken, Tapeten, Kleider, Bücher, Papiere, Fotos, alles, was sich im Laufe einer Ehe, eines Erdendaseins so ansammelt. Der Tod pumpt diese Sachen in die Lungen des Opfers und lässt es daran ersticken.
Bei einem Brand sterben die meisten an Rauchvergiftung. Die ist wie eine Todesspritze – nein, eher wie eine Gaskammer, weil es wirklich ein Gas ist, an dem man stirbt – Kohlenmonoxid.
Der versicherungstechnische Ausdruck dafür lautet » CO -Vergiftung«.
Das klingt grausam, aber das Tröstliche daran ist, dass es viel angenehmer ist, so zu sterben, als bei lebendigem Leibe gebraten zu werden.
Da hätten wir also einen bedauerlichen Unfall, denkt Jack.
Es passt alles zusammen.
Bis auf den rußigen Glassplitter.
Brennendes Holz erzeugt keine blutroten Flammen – die sind gelb oder orange.
Und der Rauch dürfte grau oder braun aussehen, nicht schwarz.
Andererseits sind das die Beobachtungen eines alten Mannes bei Dunkelheit.
Jack geht mit Leo unterm Arm zum Auto zurück, öffnet den Kofferraum und kramt, bis er die alte Frisbeescheibe findet, die er irgendwann hineingeworfen hat. Holt die Wasserflasche vom Fahrersitz und gießt etwas Wasser in die Frisbeescheibe. Setzt Leo davor, und der kleine Racker fängt sofort an zu schlabbern.
Jack holt ein altes Sweatshirt mit dem Aufdruck killer dana aus dem Kofferraum und breitet es über den Beifahrersitz. Kurbelt die Scheibe halb runter, kalkuliert, dass es um diese Morgenstunde nicht allzu heiß im Auto wird, und setzt Leo auf das Sweatshirt.
»Bleib sitzen!«, sagt Jack und kommt sich blöd vor. »Äh, Platz!«
Der Hund ist offensichtlich dankbar für einen Befehl und macht es sich auf dem Sweatshirt bequem.
»Mach keinen Blödsinn, hörst du?«, sagt Jack. Das ist ein klassischer 66 er Mustang, und Jack hat so manche Stunde darauf verwendet, das Interieur originalgetreu herzurichten.
Leos Schwanz klopft auf den Sitz.
»Was war da drinnen los, Leo?«, fragt Jack den Hund. »Du weißt es doch, oder? Also sag’s mir!«
Leo blickt ihn treu an und klopft eifriger mit dem Schwanz.
Aber sagt kein Wort.
»Schon gut«, sagt Jack.
Plaudertaschen kennt Jack zur Genüge.
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