Die Sprache des Feuers - Roman
die Arbeit, dann das Vergnügen. Surfen ist schöner, aber man muss arbeiten, um sich das Surfen zu verdienen. Mir ist egal, was du wirst, aber arbeiten musst du. Du musst dir deinen Lebensunterhalt verdienen.«
»Ja, Dad.«
»Ja, ja, ja!«, sagt Dad. »Wenn du deinen Job machst, und du machst ihn gut, dann verdienst du dein Geld. Dann gehört dir deine Freizeit, du schuldest keinem was, und du machst, wozu du Lust hast.«
Mit anderen Worten: Sein Dad bringt ihm das Arbeiten und das Surfen bei und zeigt ihm all die anderen guten Sachen: In-and-Out-Burgers, Dick Dale & His Del-Tones, tacos carne asada bei El Maguey, Longboards, den Break von Lower Trestles – und den alten Trailerpark von Dana Strands.
Für Jack junior ist dieser Hügelrücken über dem Dana Strands Beach der schönste Flecken der Erde. Der Trailerpark ist seit Jahren weg, bis auf ein paar Bruchbuden und ein paar Stellplätze, aber wenn er dort oben steht, zwischen Eukalyptusbäumen und Palmen, und den Strand sieht, die geschwungene Küstenlinie, die sich bis Dana Head erstreckt, dann kann es gar keinen Zweifel geben: Er steht auf dem schönsten Flecken der Erde.
Jack junior verbringt Stunden – wenn nicht Tage – hier oben auf dem letzten unerschlossenen Baugrund der südkalifornischen Küste. Er surft eine Weile, dann steigt er die Schlucht zum Hochufer rauf, duckt sich unter einem alten Zaun durch und läuft da oben rum. Oder setzt sich in die Mehrzweckhalle, wo es früher Tischtennisplatten gab und eine Jukebox und einen Imbiss, wo man Burger und Hotdogs und Chili bekam. Manchmal bei Gewitter setzt er sich rein und sieht die Blitze über Dana Head zucken, manchmal während der Walwanderung setzt er sich raus auf die Klippe und verfolgt die großen Grauen auf ihrem Weg nach Norden. Oder er sitzt einfach da, starrt auf den Ozean und macht gar nichts.
Nur darf er das nicht zu lange tun, wenn es nach seinem Dad geht. John senior deckt ihn immer schön mit Arbeit ein, besonders als er größer wird und größere Sachen schultern kann.
Aber wenn sie mal wieder einen schwierigen Job erledigt haben, fahren sie mit dem Truck runter nach Baja, in ein kleines mexikanisches Fischerdorf. Schlafen auf der Ladefläche, surfenan den meilenlangen leeren Stränden, machen in der tödlichen Mittagshitze Siesta unter Palmen. Am Nachmittag bestellen sie ihren Fisch zum Abendessen, und die Fischer fahren raus, fangen den Fisch und haben ihn bei Sonnenuntergang fertig. Jack und sein Dad sitzen dann draußen und essen den Fisch und die Tortillas direkt vom Grill, schlürfen eiskaltes mexikanisches Bier und reden über die Wellen, die sie erwischt haben oder von denen sie erwischt wurden und über alles Mögliche. Dann greift vielleicht einer aus dem Dorf zur Gitarre, und wenn Jack und sein Dad ein bisschen angeheitert sind, singen sie die canciones mit. Oder legen sich in ihren Truck und hören auf Mittelwelle ein Spiel der Dodgers, oder sie quatschen, während im Hintergrund ein Mariachi-Sender dudelt. Oder glotzen in den Sternenhimmel und schlafen einfach ein.
Nach ein paar Tagen fahren sie zurück nach el norte und machen sich wieder an die Arbeit.
Jack bringt die Highschool zu Ende, studiert ein paar Semester an der Uni von San Diego, stellt fest, dass Studieren nicht sein Ding ist, und bewirbt sich bei der Polizei. Erzählt seinem Dad, er will mal eine Weile was anderes machen als Trockenbau.
»Ich kann’s dir nicht verübeln«, sagt sein Dad.
Jack besteht die schriftliche Aufnahmeprüfung mit Bravour, vom Bauen und vom Surfen hat er eine kräftige Statur, also kommt er gut zurecht bei der Polizei von Orange County. Macht ein paar Jahre die üblichen Sachen, schreibt Anzeigen, nimmt Verhaftungen vor, fährt Streife – aber Jack ist ein kluger Junge, er will was werden, und da bei der Mordkommission kein Platz frei ist, bewirbt er sich an der Feuerwehrschule.
Denkt, wenn er was vom Bauen versteht, versteht er auch was vom Gegenteil.
Und damit hat er recht.
11
»Prometheus«, sagt der kleine Professor im Tweed-Anzug.
Pro-wer? , fragt sich Jack – und was zum Teufel hat der mit Feuer zu tun?
Der Professor starrt in lauter fragende Gesichter.
»Dann lesen Sie mal Aischylos«, sagt er, was die Verwirrung noch größer macht. »Als Prometheus der Menschheit das Feuer brachte, ketteten ihn die anderen Götter an einen Felsen und schickten Adler, die für alle Ewigkeit von seiner Leber fraßen. Doch wenn man bedenkt, was die Menschen mit dem Feuer
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