Die Sprache des Feuers - Roman
Kein Wunder bei sieben Jahren Polizei und zwölf Jahren Versicherung. Man braucht die Plaudertaschen, und trotzdem verachtet man sie.
Wieder ein Plus auf dem Konto des Hundes.
Hunde sind aufrechte Wesen, Hunde plaudern nicht.
Leo verrät nichts außer der Tatsache, dass er noch am Leben ist. Was bei Jack ungute Assoziationen auslöst.
Er weiß, dass Brandstifter nie ihre Hunde verbrennen.
Sie verbrennen ihre Häuser, ihre Sachen, ihr Geschäft, ihre Papiere, sie verbrennen sich sogar gegenseitig, aber ihren Hund verschonen sie um jeden Preis. Bei jedem Feuerschaden, der sich als Brandstiftung herausstellt, ist der Hund zufällig irgendwo anders.
Andererseits, denkt Jack, trifft das auch auf die Menschen zu.
Pamela Vale war ein guter Mensch.
Hat viel Geld zur Rettung der Strände gesammelt.
Also lassen wir’s dabei.
Er pellt sich aus dem Overall und legt die Ausrüstung in den Kofferraum zurück.
Die Untersuchung des Schadens muss noch ein Weilchen warten.
Da sind zwei Kinder, deren Eltern in Scheidung liegen, dann stirbt die Mutter, und das Haus brennt ab. Sollen sie wenigstens ihren Hund bekommen.
Ein kleiner Trost für einen beschissenen Deal.
9
Goddamn Billy Hayes schützt das Streichholz mit der hohlen Hand vorm Wind und zündet seine Zigarette an.
Er sitzt auf einem Metallsessel im Kaktusgarten vor seinem Büro, hat Akten auf den Knien, eine Lesebrille auf der Nase und eine Camel im Mundwinkel.
Der Kaktusgarten war seine Idee. Seit die Volksrepublik Kalifornien das Rauchen am Arbeitsplatz verboten hat, ist Billy Vorsitzender des B d KFR , des Bunds der kalifornischen Freiluftraucher. Da er sowieso meistens draußen hockt und raucht, dachte er sich: Warum soll ich’s mir hier nicht gemütlich machen? Und ließ die Freifläche vor seinem Büro mit Kakteen und Felsblöcken bestücken.
Wenn Billy nicht im Büro ist, sitzt er draußen auf dem Stahlklappsessel, wühlt in den Akten und qualmt vor sich hin. Einmal ist Jack am Sonntagabend zu ihm ins Büro gegangen und hat den Schreibtisch rausgeschleppt. Das fand Billy genauso witzig wie Zigaretten mit Filter.
Billy ist vor zwanzig Jahren aus Tucson nach Kalifornien gekommen, um die Schadensabteilung von California Fire and Life zu übernehmen. Gegen seinen Willen, aber die Firma hat gesagt: » up or out « – Karriere oder Rauswurf. Da sitzt er nun zwischen einem Ocotillo und einem Barrel-Kaktus im Sand, umwabert von Salbeidüften, Zigarettenrauch und den Kohlenmonoxidwolken, die vom Freeway 405 rüberwehen.
Goddamn Billy Hayes ist ganze 1 , 68 groß und schmächtig wie eine Marionette, die nur Drähte unter den Kleidern hat. Sein Gesicht ist sonnenverbrannt und schrumplig wie eine Backpflaume, er hat einen silbergrauen Bürstenschnitt und Augen so hellblau wie arktisches Eis. Zu seinen Cowboy-Boots trägt er gute blaue Anzüge – und früher, in Phoenix, als ständig Mafia-Immobilien abbrannten, trug er auch einen 44 er Colt am Gürtel. Die Trescias hatten ihm diskret zu verstehen gegeben, dass auch ihm ein kleiner Unfall passieren konnte, wenn er kein Schutzgeld zahlte.
Und so hat Billy die Sache gelöst: Er betrat Joe Trescias Maklerbüro, den 44 er in der Hand, spannte den Hahn, hielt Joe junior den Lauf unter die Nase und sagte: »Wenn schon Unfall, dann jetzt und hier!«
Fünf Ganoven standen um ihn rum und trauten sich nicht, ihre Schießeisen rauszuholen, weil sie wussten, dass dieser Irre keine Hemmungen hatte, Joe juniors Gehirn an der Wand zu verspritzen. Was Joe senior sehr verdrossen hätte. Also standen sie einfach da und schwitzten und sandten Stoßgebete zum heiligen Antonius.
Joe junior blickte an dem blauen Stahllauf entlang in Billys stahlblaue Augen und sagte: »Wir suchen uns eine andere Versicherung.«
Aber das waren die alten Zeiten, heute läuft das so nicht mehr, erst recht nicht in Kalifornien, wo es einfach als unangemessen gelten würde. (»Ich meine, verdammt noch mal«, sagte Billy, als er Jack die Geschichte eines Abends bei einer Flasche Jack Daniel’s und ein paar Bier erzählte. »Wie soll ich hier in einem Staat, wo man nicht mal rauchen darf, jemandem das Gehirn rauspusten?«) Folglich lagert der Colt jetzt im obersten Fach von Billys Schlafzimmerschrank.
Statt Kanonen, denkt Billy, haben wir jetzt Anwälte.
Die sind nicht so schnell, aber mindestens genauso tödlich und viel, viel teurer.
Noch teurer als Anwälte zu haben, ist es, keine zu haben, denn heutzutage sind Versicherungen, wenn sie
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