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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Gescheppers von rostigen Bajonetten ist Major Kreutzer
ganz offenbar auf seinem Ross eingeschlafen, schnauft laut und gleichmäßig,
während sein Pferd mit angelegten Ohren und geblähten Nüstern durch die Pfützen
der westfälischen Börde watet. Der Bauch des Majors Kreutzer wabbelt bei jedem
Schritt, doch sein Leib wankt keinen Deut, das Hinterteil scheint am Sattel
festgewachsen. Giselher von Wolzogen staunt. Nach dem Regelwerk der Natur
müsste der Mann herabsinken, müsste in den Schlamm stürzen, was für seine Gefolgschaft
gewiss eine Genugtuung wäre! Nach dem Regelwerk des Militärs hätte dieser
Mensch eiligst einmal abspecken müssen, hätte selbst Disziplin einüben müssen,
um sie anderen abverlangen zu können, hätte womöglich zwecks Nacherziehung in
eine der strengsten Militärschulen des Königreichs einrücken müssen, ehe man
ihm ein Manöver wie dieses anvertraut. Doch bei einer Dragonerkompanie gelten
keine Regeln. Das hat von Wolzogen bereits vor Tagen lernen müssen.

    Es gibt keine Vorhut, keine Nachhut, keine klare Dienstordnung,
geschweige denn einen strategischen Plan. Ein formloser Haufen von rund hundert
Mann – nicht einmal exakt gezählt sind sie – reist auf Gäulen, die längst das
Gnadenbrot erhalten müssten, und mit zehn desolaten Leiterwagen voller
Tartoffeln zur Saat, welche seine Majestät hat aus dem Vogtland importieren
lassen. Denn dort soll es eine hohe Qualität geben, in länglicher und hübsch
hellroter Form, die die Menschen dort freiwillig anbauen und verzehren, so
heißt es. Ansonsten ist nur das ungefähre Ziel des Ritts bekannt: der
Niederrhein. Die dort ansässigen freien Bauern sollen selbige Früchte
spätestens Ende April in die Erde schaffen – wo immer ein guter Boden
brachliegt, so lautet die Ordre. Dafür sollen die Dragoner sorgen. Der Major
indes trägt in Begleitung von Wolzogens die Verantwortung dafür, dass
Tartoffeln und Dragoner überhaupt am Niederrhein ankommen, damit beide –
unterstützt von der regionalen Administration – ihrer Bestimmung genügen.

    Dass die Tartoffeln heil und vollzählig den Niederrhein
erreichen werden, ist wahrscheinlich. Die Dragoner dagegen sind bereits jetzt
um drei Mann vermindert, da es dem Major gefallen hat, zwei von ihnen unter die
Erde zu saufen und einen weiteren standrechtlich zu erschießen, weil der ihn
Fettsack genannt hat.

    »Dat blond jelockte Mägdelin, dat kriegt die Fotz nich
voll genug, da kommt keen Eber dran vorbei …«

    Von Wolzogen spürt Ekel aufsteigen. Nicht dass er von den
derben Sitten der Truppe überrascht wäre, doch als er neulich Sr. Majestät dem
König den Plan vortrug, Dragoner zur Durchsetzung der Ordre Circulaire über den
Kartoffelanbau hinzuzuziehen, war es ihm keinesfalls in den Sinn gekommen,
selbst und in eigener Person eine solche Kompanie zu begleiten. Schließlich ist
er schon seit jungen Jahren nicht in der Lage, weiter als zehn Schritt weit
klar zu sehen, und damit ungeeignet für den Einsatz im Gelände. Stattdessen ist
er wegen ausgezeichneter schulischer Leistungen für eine Laufbahn im
königlichen Sekretariat vorgesehen. Und gewiss wäre es Se. Majestät nicht in
den Sinn gekommen, ihn mit einem derart schnöden Auftrag zu bedenken, hätte
nicht der wenig geschätzte Schwiegeronkel, der da schnarchend von seinem Pferd
durch die Lande bewegt wird, von Wolzogens Gesellschaft von Sr. Majestät als
einen Gefallen erbeten. Er, Major Kreutzer, ersuche hiermit untertänigst darum,
dass ihn sein lieber junger Neffe in der anvertrauten Mission an den
Niederrhein begleiten dürfe, damit des Majors Herz nach den vielen Wochen
verwandtschaftlicher Entbehrung eine Freude habe. So hatte es der
Schwiegeronkel dem König in einer Eilbittschrift angetragen, gleich nachdem er
erfahren hatte, welch wichtige Rolle von Wolzogen im Zusammenhang mit der Ordre
Circulaire zugefallen war. Freilich ohne sich zuvor von dessen Interesse an einer
gemeinsamen Reise zu überzeugen, wovon Se. Majestät ganz offenbar ausgegangen
war, denn er hatte der Bitte des Onkels ohne Rücksprache stattgegeben.

    Oder hängt womöglich doch alles mit dem Tüchlein zusammen,
welches Se. Majestät nach Diktat der Ordre fallen ließ? Lästerliche Zungen
behaupten, es sei stets ein Zeichen, Se. Majestät in deren Gemächer zu folgen,
was von Wolzogen falsch gedeutet habe und nun in Ungnade gefallen sei. Mochte
es tatsächlich so sein, dass Se. Majestät mit solchem Wink junge Männer zu sich
beorderte, um

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