Die Spucke des Teufels
sich mit ihnen Leibesvergnügungen zu widmen, die im bürgerlichen
Stande und vor Gott nicht vorgesehen sind? Dieser Gedanke lässt von Wolzogen
noch mehr erschaudern als das derbe Liedgut des Dragonerhaufens. Falls diese
Interpretation nicht böswillige Kolportage ist, wieso kleidet und geriert sich
der König derart nachlässig, um nicht zu sagen, degoutant, dass kaum einer auch
nur auf den Gedanken verfallen kann, es sei ihm um die leibliche Gunst
irgendeines Menschenwesens zu tun?
Von Wolzogen liebt die Buchstaben, Ziffern und Gleichungen,
er liebt die Rätsel der Astronomie und der Alchemie, die Epen der Antike. Er
liebt seine Eltern, Großeltern und Geschwister. Er liebt seinen Rappen. Sonst
liebt er nichts. Er hofft, eines fernen Tages eine fromme, wohlerzogene und
möglicherweise lieblich anzusehende Tochter aus adeligem Stande zu ehelichen,
mit welcher er Nachkommen zeugen wird, die dem guten Ruf seiner Familie gerecht
werden. Ganz im Gegensatz zu jener Tante, Sybille von Wolzogen, eine jüngere
Schwester seines Vaters, die in ihrer jugendlichen Unbedarftheit einen
Fehltritt begangen und durch Heribert Kreutzer schwanger geworden war, was nur
durch Verehelichung mit diesem Bastard reparabel erschien. Seit nun das
Ergebnis jenes Fehltritts, zu allem Unglück auch noch als Zwilling auf die Welt
gekommen, mittlerweile aus den Windeln ist und es in der Kadettenschule zu Potsdam
zu guter Beurteilung gebracht hat, liegt der Tante nichts mehr an der Ehe,
sodass sie den Scheidungsantrag eingereicht hat, unterstützt von der ganzen
erlauchten Familie.
Welche Dreistigkeit also, von Wolzogen als seinen lieben
Neffen anzugeben! Verbindet diesen Kreutzer und ihn doch nicht mehr als
eine weitläufige Verschwägerung, eine unliebsame und in der Auflösung
begriffene noch dazu. Gleichwohl benimmt sich dieser Mensch, als sei die Scheidung
seiner Ehe keinesfalls eine Auflösung der Beziehungen, die ihn mit derer von
Wolzogen verbinden. Welch eine Selbsttäuschung!
»Haarig, haarig, haarig is die Fotz, und wenn die Fotz
nich haarig wär – hee-eee-eer – jauuu-uuu!«
Die Gesänge schwellen zu einem Johlkonzert an. Von Wolzogen
wendet seinen Rappen, Major Kreutzer wird endlich wach, blinzelt aus
verhangenen Augen auf zwei Gestalten, die aus den Pfützen ragen, mit Fäusten
aufeinander losgehen und sich schließlich, aufgestachelt von der Menge, am
Boden winden.
Der Kreutzer reißt seinen Braunen herum, prescht hin,
brüllt, als ginge es um die Attacke auf den Feind, schwingt die Peitsche, lässt
sie auf die Leiber am Boden niedergehen, noch einmal und noch einmal, zehn Peitschenhiebe
zählt von Wolzogen. Alles ist still, Krähen kreisen am milchigen Himmel. Eine
der Gestalten erhebt sich ächzend aus dem Schlamm, klettert auf sein Pferd, die
andere scheint ohnmächtig, wird unter Anweisung des Majors bäuchlings über den
Sattel gebunden.
»Weiter!«, donnert der Major, prescht wieder an die Spitze
des Zugs, bringt sein Pferd so plötzlich zum Stillstand, dass der Schlamm neben
von Wolzogen aufspritzt und in Klumpen niederregnet. »Es ist ein schwieriges
Unterfangen, einen derart maroden Haufen zu befehligen, lieber Giselher.
Excuse-moi, wenn ich mitunter eine etwas herbe Form der Sanktionage wähle, doch
– wie der Volksmund uns sagt – gehört auf einen groben Klotz ein grober Keil!«
»Man sagt auch, dass alle Prügel aus einem Wolf kein Lamm
werden lässt«, wendet von Wolzogen ein.
Der Major stutzt, nickt: »Meine Rede! Meine Rede!«
Von Wolzogen zieht es vor zu schweigen. Doch der Kreutzer
ist nun auf Dialog aus, erzählt vom Niederrhein als seiner zweiten Heimat, wo
die Städte ungewöhnlich schmuck und sauber seien, die Frauen sanft und keusch,
nicht so dreist wie in Berlin. Er hoffe, sagt der Major und räuspert sich, von
Wolzogens Gefühle nicht zu verletzen, wenn er ihm jetzt verrate, dass er demnächst
in die Scheidung von dessen Tante Sybille einwilligen wolle. Er, Kreutzer,
beabsichtige nämlich, sich am Niederrhein neu zu vermählen. Ein Mann wie er,
gesund und in den besten Jahren, könne nun einmal nicht enthaltsam leben wie
ein Wallach. Und dabei lacht er, hahaa-hohoo, und lässt seinen Braunen tänzeln.
»Eine Scheidung ist gewiss die vernünftigste Lösung, wenn
eine Ehe nicht gedeiht«, beeilt sich von Wolzogen zu versichern. »Die Familie
von Wolzogen, da dürfen Sie versichert sein, lieber Major, möchte Ihrem
künftigen Glück keinesfalls im Wege stehen!«
Der Major grient vor
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